BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
einen Fehler melden, der gar nicht vorhanden ist«, vollendete Wickley die Erklärung. »Das«, flüsterte er weiter, »ist perfide.«
In seinem Kopf rasten die Überlegungen, wie er weiter vorgehen sollte. Wenn das stimmte, was Dienhof ihm zu erklären versuchte, war Talaefer einer der Hauptverantwortlichen für die Katastrophe da draußen.
»Das ist es tatsächlich«, bestätigte Dienhof. »Die falschen Anzeigen stören die Maschinen nämlich an sich nicht. Denn die funktionieren ja korrekt weiter. Die Kraftwerke könnten also problemlos in Betrieb gehalten werden. Wer das implementiert hat, spekuliert auf die kritischste Schwachstelle des Systems …«
»… den Menschen.«
Insgeheim zollte Wickley dem Urheber dieser winzigen Änderung seinen Respekt. Hier hatte jemand verstanden, worum es ging. Ein richtig kluger Kopf. Diabolisch klug.
»Das heißt, das Kraftwerk läuft einwandfrei, aber …«
»… das Personal in der Leitstelle bekommt eine Fehlermeldung«, sagte Dienhof.
»Zum Beispiel, dass die Drehzahl der Generatoren zu niedrig ist. Obwohl sie es nicht ist. Daraufhin ergreifen sie Maßnahmen, um die Drehzahl zu erhöhen.«
Dienhof nickte.
»Nun laufen die Generatoren schneller, als sie sollten«, fuhr Wickley fort, »im schlimmsten Fall zerstören sie sich selbst, es kommt zu Spannungsschwankungen bis hin zum Stromausfall.«
Dienhof ergänzte: »Aber es genügt natürlich bereits, die Anzeige von ein paar Ventilen zu manipulieren, um das Personal in Verwirrung zu stürzen und sie das Falsche machen zu lassen.«
Je länger Wickley darüber nachdachte, desto beeindruckter war er. Wer immer diesen Schadcode eingebracht hatte, erzielte mit minimalem Aufwand maximale Wirkung. Und konnte sich dabei sogar noch einreden, dass er eigentlich gar nichts wirklich Schlimmes machte. Nur ein paar Lämpchen verkehrt aufleuchten ließ. Den tatsächlichen Schaden richteten erst die Kraftwerksfahrer an, die aufgrund der fehlerhaften Anzeige das Gegenteil von dem unternahmen, was richtig war.
»Wissen die Leute vom BKA schon darüber Bescheid?«
»Ich sollte zuerst Sie informieren.«
»Das war richtig. Ist dieser Programmteil bei allen Kraftwerken, von denen wir Meldungen bekommen haben, die Ursache der Probleme?«
»Bis jetzt haben wir die modifizierte Unterroutine in fünf unserer SCADA -Systeme gecheckt. Wir haben sie in jedem gefunden. Würde mich nicht wundern, wenn wir den Bug in den anderen auch entdecken.«
»Aber wie kommt der da überhaupt hin? Und durch wen?«
»Das sollten die Logs unserer Quellcode-Verwaltung beantworten können. Falls es nicht schon zu lange her ist.«
»Und wie konnte er sich durch die Sicherheitschecks schummeln? Und warum wurde er erst jetzt aktiv?«
»Viele Fragen«, seufzte Dienhof. »Auf die meisten haben wir noch keine Antwort.«
»Auf welche schon?«
»Der Zeitpunkt der Aktivierung. Wahrscheinlich war der Code als Zeitbombe eingebaut. Die kann man vor Tests der Qualitätssicherung gut verstecken. Scharf gemacht werden kann so eine Bombe auf verschiedene Weise. Das kann das Eingeben eines simplen Befehls sein, ein bestimmtes Datum, das Setzen einer globalen Konstante irgendwo an ganz anderer Stelle oder anderes. Das werden wir erst in ein paar Tagen wissen.«
»Was noch? Wie ist es möglich, dass so viele Kraftwerke betroffen sind? Die SCADA -Systeme sind doch maßgeschneidert.«
»Schon. Aber für gewisse Standardfunktionen, die jedes Kraftwerk braucht, verwenden wir seit der zweiten SCADA -Generation in allen Steuerungssystemen die gleichen Standardbibliotheken.«
»Die Zeitbombe schlummerte also in so einer Standardbibliothek?«
»In einer Widget-Library für die Darstellung häufig verwendeter grafischer Darstellungen.«
»Die ist für alle Kraftwerkssteuerungen gleich?«
»Zu kontrollierendes Element funktioniert: Licht grün. Funktioniert nicht: Licht rot. Ist bei einigen Bestandteilen aller Kraftwerke, die wir ausgerüstet haben, immer so. Es wäre ja Irrsinn, solche Basisbestandteile einer Steuerung, die in jedem Kraftwerk die gleiche Aufgabe haben, jedes Mal komplett neu zu schreiben. Kostet mehr, ist komplizierter in der Wartung und beim Aktualisieren der Software.«
»Kam Dragenau an so eine Standardbibliothek ran?«
»Ja. Aber die zwei anderen auch.«
Letztlich kümmerte Wickley in diesem Moment nicht, wer die Software wann unterminiert hatte. Wichtig war jetzt, den Schaden für Talaefer so gering wie möglich zu halten.
»Wie lösen wir das
Weitere Kostenlose Bücher