Blade 02 - Nachtklinge
sie angegriffen, dich ein zweites Mal entführt und auf einer Laguneninsel festgehalten.«
»Zumindest glaube ich das.«
»Du bist dir nicht sicher?«
»Man hat mir die Augen verbunden, mich in einen Teppich gewickelt und in ein leeres Zimmer geschafft.« Ihre Stimme klang lauter als sonst, und Tycho fragte sich, wie viel sie wohl getrunken hatte.
»Und dann hat ein Kriegshund deine zweiten Entführer getötet?«
»Ja«, erwiderte sie. »Er …«
Sie verstummte und schluckte. Die Bestie, die sie gerettet hatte, war der Mann, der sie liebte, ohne je das Bett mit ihr geteilt zu haben. Der rätselhafte, charmante, gefährliche und nun tote Prinz Leopold zum Bas Friedland.
»Verzeih mir, ich wollte dich nicht betrüben.«
»Mich betrübt ohnehin alles.
Ich trage Trauerkleidung. Mein Ehemann ist tot. Ich darf mich nicht zurückziehen, um mein Kind zu stillen. Aber das Schlimmste ist«, fuhr sie mit einer Handbewegung auf den betrunkenen Alonzo und die wachsame Alexa fort, »dass ich wieder zurück bin, im Schoß meiner liebevollen Familie.«
»Giulietta.«
Aber es war zu spät.
Ihr Stuhl kratzte über den Steinboden.
Diesmal hielt niemand sie an der Tür auf.
»Darf ich dir Gesellschaft leisten?«
Tycho sah von seinem Becher auf. Der Regent stand vor ihm und klopfte auf den leeren Stuhl der Prinzessin, als warte er auf eine Einladung. Jeder Gast im Raum sah zu ihnen hinüber.
»Es ist mir eine Ehre, Durchlaucht«, sagte Tycho.
»Was hat Giulietta?«
»Sie ist müde.«
»Müde sind wir alle«, erwiderte der Prinz gereizt und schob sich eine Honigmandel in den Mund. Er aß sie langsam, bis sich seine Miene wieder aufhellte. »Wir alle durchleben schwierige Zeiten.«
Tycho wartete schweigend.
Eine Mandel nach der anderen wanderte in den Mund des Regenten.
Dann griff er nach einem Glas – Tychos –, stürzte es in einem Zug hinunter und verscheuchte ungeduldig eine Dienerin, die sofort mit Nachschub herbeigeeilt kam. Dann wandte er sich Tycho zu. »Wir hatten einige Meinungsverschiedenheiten …«
So konnte man es natürlich auch nennen. Auf Anordnung des Prinzen hatte man Tycho auf den Sklavenmarkt nach Zypern gebracht.
Tycho nickte kurz und fragte sich, was Alonzo wollte. Der Regent gab sich für seine Verhältnisse auffallend umgänglich. Offenbar hatte er einen besonders dringenden Wunsch.
»Du und meine Nichte, steht ihr euch nahe?«
»Verzeiht?«
Alonzo seufzte. »Genug Geplänkel. Ich bin ein einfacher Soldat und weiß gern, woran ich bin. Hast du dich auf der Rückreise mit Prinzessin Giulietta angefreundet?«
»Sie suchte das Gespräch, Durchlaucht.«
»Natürlich. Frauen müssen immer reden. Worüber wollte sie sprechen?«
»Über den Tod ihres Mannes.«
Prinz Alonzo runzelte die Stirn. »Du warst bei ihrer Hochzeit? Ging alles ordnungsgemäß vor sich? Waren Priester und Trauzeugen anwesend?«
»Abt Ignazio hat das Paar getraut, König Janus war der offizielle Zeuge, der gesamte zypriotische Hof war anwesend. Der Trauzeuge des Bräutigams war ich.«
»Du?«
»Es war Prinz Leopolds Wunsch.«
Alonzo beugte sich vor. »Dann weißt du also über den Prinzen Bescheid?«
»Ein Kriegshund, Hoheit. Ein Werwolf aus den Wäldern von Teutoburg. Ihr habt es mir selbst erzählt, als Ihr mich zu ihm geschickt habt. Doch er hat tapfer gekämpft und ist ebenso tapfer gestorben. Ohne ihn wäre Prinzessin Giulietta nicht hier. Graf Atilo kann das bezeugen.«
»Weißt du, wie der Prinz meine Nichte kennengelernt hat?«
»Nein, Durchlaucht«, erklärte Tycho. »Davon weiß ich nichts.«
»Und das Balg?« Alonzos Ton war betont neutral. »Leopold hat ihm seine Länder und Titel vermacht. Glaubst du, es ist sein Kind? Ich habe mir sagen lassen, seine Interessen gingen in eine andere Richtung.«
»Leopold hat ihn als Erben anerkannt.«
»Das weiß ich. Was sagt Giulietta dazu?«
Schweiß perlte von der Stirn des Regenten. Sein leicht ergrautes Haar war im altmodischen Stil zurückgekämmt. Für Mitte Mai war es zwar heiß, aber nicht heiß genug, um Alonzos tiefrote Gesichtsfarbe zu erklären.
»Hoheit.«
»Du sollst mir antworten, verdammt noch mal.«
»Ihr müsst sie selbst fragen, Durchlaucht.«
Alonzos Gesicht verzerrte sich vor Zorn. Er erhob sich mit einem Ruck, als wolle er den Dolch ziehen, davonstürmen oder jemanden anbrüllen. Giulietta schwieg sich beharrlich darüber aus, wer der Vater ihres Kindes war.
Ich bin als Jungfrau in die Ehe mit Leopold gegangen.
Das hatte sie auf
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