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Blade 02 - Nachtklinge

Blade 02 - Nachtklinge

Titel: Blade 02 - Nachtklinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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man eine Einladung der Millioni nicht ungestraft ausschlug.
    Den Blicken nach zu urteilen waren viele nicht zuletzt deshalb gekommen, um ihn anzugaffen.
    Tycho fand ihre Neugier begreiflich. Es kam nicht alle Tage vor, dass jemand auf ein Schiff gebracht, in Zypern auf dem Sklavenmarkt verkauft und dann für den zehnfachen Preis von Gräfin Desdaio zurückgekauft wurde. Inzwischen hatte man ihn sogar zum Ritter geschlagen, was die Neugier der Leute noch zusätzlich anfachte. Er fand es zwar
begreiflich,
aber das bedeutete mitnichten, dass es ihm gefiel.
    Die reichsten Männer waren in samtene Umhänge mit raffinierten Mustern gehüllt und trugen bestickte Wamse nach der neuesten Mode. Die jüngeren zeigten sich in auffälligen Beinlingen, die älteren trugen lange, bis über die Hüfte reichende Röcke. Brüste wogten in den tief ausgeschnittenen Dekolletés der Damen, Goldschmuck zierte makellose Hälse, und viele Herzen schlugen unruhig wie zitternde Schmetterlingsflügel.
    Graf Roderigo stand neben dem Regenten. Als Tycho seinem Blick begegnete, starrte er finster zurück. Tycho fixierte ihn. Er war davon überzeugt, dass Roderigo etwas mit dem Anschlag auf San Lazzaro zu tun hatte, egal, was Dogaressa Alexa sagen mochte.
    »Herr Tycho?«
    Ein Diener in der golden und scharlachrot gefärbten Livree der Millioni stand neben ihm. »Prinzessin Giulietta wartet auf Euch.«
    »Aus welchem Grund?«
    Der junge Mann blinzelte überrascht. »Ihr führt sie zum Bankett.«
    »Das war nicht mein Einfall!«
Giulietta war den Tränen nahe. Der Saaldiener zog sich schleunigst zurück, während die Prinzessin ihren Sohn beruhigte und ihren Tischherrn böse anfunkelte.
    »Meine Tante hat angeordnet, dass ich neben dir sitze.« Ihr beleidigtes Gesicht ließ sie jünger aussehen als sechzehn. »Ich verdanke dir mein Leben. Offensichtlich.«
    Tycho zuckte die Achseln und verkniff sich die Bemerkung, dass sie ihm ihr Leben sogar zweimal verdankte.
    Giulietta lief rot an. »Ursprünglich war es Marcos Idee.«
    Anders ausgedrückt:
Nur ein Verrückter kann veranlassen, dass ich mich neben dich setze.
Plötzlich wurde ihre Miene noch finsterer. Als Tycho sich umwandte, fiel sein Blick auf Arno Dolphini, der ebenfalls an Bord der
San Marco
gewesen war.
    »Dieser Mann ist ein Dummkopf, Giulietta.«
    »Und ein Lügner dazu.«
    Tycho wunderte sich. Was mochte Dolphini zu ihr gesagt haben?
    Wie alle verheirateten Frauen trug Giulietta das Haar hochgesteckt. Die flammend rote Farbe hob sich prächtig von ihrer schwarzseidenen Trauerkleidung ab, die bei jeder Bewegung schimmerte. Die Rubine um ihren Hals waren groß wie Taubeneier, Prinz Leopolds Ring steckte an ihrem Finger. Ungewöhnlich war nur das kleine Kind in ihrem Arm.
    »Du nimmst Leo mit zum Bankett?«
    »Ich möchte mal sehen, wer mich daran hindern soll.«
    In Venedig, wo adelige Damen kaum je ihrem Kind die Brust gaben und Väter ihre Söhne im frühesten Alter wegschickten, damit sie die Kriegskunst oder den Handel erlernten, wirkte Giuliettas mütterliche Sorge um ihr Kind geradezu rebellisch.
    »Leo sieht …«
    »Traurig aus.«
    Wahrscheinlich, überlegte Tycho, sprach sie eher von sich selbst.
     
    Die Sitzordnung sagte alles über den Stand der Gäste aus. Bündnisse wurden mit Tischnachbarn geschlossen, mit denen man bisher nichts zu tun haben wollte, die aber unvermutet an Einfluss gewonnen hatten. Alte Geschäftsverbindungen wurden abrupt beendet, wenn eine Familie in Ungnade gefallen war. Familienfehden wurden angefacht, wenn ein Edelmann meinte, ein anderes Mitglied des Adels habe zu Unrecht seinen Platz an der Tafel eingenommen.
    Für die Ehrengäste hatte man altbackenes Brot und gezinkte Silbergabeln gedeckt, eine byzantinische Tafelsitte, die über Venedig den Weg auf das italienische Festland gefunden hatte. Gräfin Desdaio hatte Tycho davon erzählt.
    Ob Giulietta wusste, dass Silber ihn verbrannte?
    Die Dogaressa jedenfalls wusste es, genau wie Roderigo und Atilo, der ihn einmal in einem Netz aus Silberfäden gefangen hatte … »Ich kann diese Gabel nicht berühren, Giulietta.«
    »Dann iss mit dem Dolch und tunk das Brot in die Soße. Von einem ehemaligen Sklaven erwartet man bestimmt keine Tischmanieren.«
    Tycho holte tief Luft.
    Giulietta konnte nicht wissen, dass er ebenso wie sie darunter litt, neben ihr zu sitzen. Von den Fackeln an den Wänden stieg schwarzer Qualm auf, die Ausdünstungen der schwitzenden Gäste und der durchdringende Bratgeruch lagen

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