Blade 02 - Nachtklinge
wenn Ihr erlaubt …«
»Du musst dich erleichtern?«
Sie errötete anmutig. Wenn man bedachte, was er ein paar Minuten zuvor alles mit ihr angestellt hatte, wirkte ihre Verlegenheit ein wenig seltsam.
»Die Toilette ist hier«, sagte Tycho. »Ich leiste dir Gesellschaft.«
Ihr Gesicht färbte sich dunkelrot. »Herr«, stammelte sie.
»Na, was denn?«
»Das ist mir peinlich.«
»Das muss es nicht. Und nenn mich nicht Herr, mein Name ist Tycho.« Sie lächelte etwas einfältig, als fühle sie sich irgendwie geschmeichelt. Tycho zog einen Vorhang beiseite, hinter dem sich Löcher in den Dielen befanden. Er benutzte das eine.
Sie ging über dem anderen in die Hocke und wirkte verlegen.
Er seufzte und wandte sich ab, als er fertig war.
Noch eine Stunde bis zur Morgendämmerung, Zeit genug, um sich noch einmal an ihrem Körper zu erfreuen. Er war froh, wenn endlich der Winter kam. Die Sommernächte waren für seinen Geschmack viel zu kurz. Das Mädchen kehrte zum Bett zurück.
»Verzeiht«, sagte sie und küsste ihn.
»Wofür?«
»Ich war kindisch.«
»Nein, keineswegs. Aber das hier … solltest du loswerden.«
Es war ein Tausch. Sie durfte seine Toilette ungestört benutzen, er erhielt dafür eine Belohnung. Sie zog sich das Unterkleid über den Kopf und senkte den Blick.
»Ich lösche das Licht.«
Ihr üppiger Körper entsprach dem venezianischen Schönheitsideal: volle Brüste, runde Hüften, ein leicht gewölbter Bauch. Später würde es ihr gewiss nicht an Verehrern mangeln.
»Wo ist dein Vater?«
Sie erstarrte vor Schreck.
»Nur eine harmlose Frage.«
»Mit meiner Mutter in Pisa. Sie verkaufen Olivenöl für Salz und kaufen Stoffe für den Handel mit den Deutschen. Sie machen die Reise jeden Sommer.«
In Venedig drehte sich alles um den Handel. Die großen Händler waren so reich wie Adelige, die kleineren, wie der Vater des Mädchens, strebten danach. Nur der Handel machte einen reich. Es sei denn, man war Jude. Christen durften wegen des Wuchergesetzes kein Geld verleihen.
»Und sie haben dich allein in Venedig gelassen?«
»Meine Cousins passen auf mich auf.«
Tycho hatte sich der körperlichen Liebe zugewandt wie der Fuchs dem Wildern. Damit ließ sich sein anderer Hunger noch am besten stillen. Er zählte seine Eroberungen längst nicht mehr, ebenso wenig wie die Dukaten, die er beim Kartenspiel gewann.
Jede Nacht wartete Tycho, wofür sich seine jeweilige Geliebte entschied: für wilde, entfesselte Leidenschaft oder sanfte, zurückhaltende Zärtlichkeit. Ihm war beides recht. In der folgenden Nacht würde er sich eine Geliebte suchen, die genau das Gegenteil wollte.
Tycho erwarb sich bald einen Ruf als stürmischer und zärtlicher, hitziger und sanfter Liebhaber. Niemand bemerkte den Widerspruch, jede Frau war überzeugt, den wahren Tycho kennengelernt zu haben. Als hätte er es je gewagt, seine wahre Natur zu zeigen.
Doch diesmal war er nicht wachsam genug und nahm die Tochter des Händlers mit solcher Heftigkeit, dass sie in Tränen ausbrach. Er konnte sich nicht nehmen, was er wirklich wollte, und so nahm er, was er bekam.
Danach wehrte sie sich gegen seine Küsse. Auf ihrer Wange schmeckte er Salz und Traurigkeit. Er murmelte Entschuldigungen, beteuerte, ihre Schönheit habe ihn überwältigt und ihn alles vergessen lassen. Schließlich gelang es ihm, sie ganz behutsam wieder zu versöhnen. Dabei hätte er ihr um ein Haar die Kehle durchbissen.
»Du bist … anders«, sagte sie.
Tycho seufzte.
Sie sah ihn erstaunt an, als er ihr erklärte, kein Ehemann würde je ahnen, was sie getan hatte, wenn sie es ihm nicht selbst erzählte. Männer würden so etwas nicht bemerken, sagte er. Diese Lüge hätten sich Mütter ausgedacht, damit ihre Töchter nicht vom Pfad der Tugend abwichen. Ihre Verblüffung steigerte sich noch, als Tycho einen Diamantring von seinem Finger streifte und in ihre Hand legte. »Für deine Mitgift.«
Das Mädchen sollte seine letzte Eroberung sein.
Davon ahnte Tycho allerdings nichts, als er kurz darauf die Fensterläden schloss und den Vorhang zuzog. Er machte eigenhändig das Bett und warf die Laken vor die Zimmertür, damit Elizavet sie wusch.
Als er in der Abenddämmerung erwachte, war er traurig. Vor der Haustür hatten sich Freunde versammelt, ihr Lärm hatte ihn geweckt. Er ging hinunter und begrüßte sie, schickte sie aber fort. Das Grüppchen war überrascht. Aber er wollte es in den kommenden Tagen nicht riskieren, jemanden um sich zu
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