Blaine McCracken 6: Der Tag Delphi
spürte, wie die Räder blockierten.
Der Lastzug schlitterte seitwärts über die weiße Straße. Die Beifahrerseite nahm die größte Wucht des Schlags auf, während Sal in der Kabine durchgeschüttelt wurde. Belamo versuchte, an seine Waffe zu gelangen, als der Lastzug vom Berg zurückprallte und umkippte. Die zwei Anhänger schwankten, kurz bevor auch sie auf die Seite fielen und eine dichte Schneewolke aufwirbeln ließen. Sal versuchte sich zu erheben, um zu sehen, was aus Johnny geworden war. Aber sein Bein war unter dem Sitz eingeklemmt, so daß er sich nicht von der Stelle rühren konnte und seine Waffe somit nutzlos war.
»Verdammt!« brüllte er.
Johnny Wareagle sprang unterdessen aus der Schneewehe auf, in der er gelandet war. Er entdeckte Traggeo, der nicht weit vom Straßenrand entfernt auf die Beine zu kommen versuchte, und bewegte eine Hand zum Gürtel, um Duncan Farlowes Peacemaker-Colt zu ziehen. Aber er griff ins Leere. Er hatte die Pistole beim Sturz in den Schnee verloren.
Fünf Meter entfernt zog Traggeo eine .45er-Pistole, die den Sturz in seiner Jacke gut überstanden hatte, und Johnny warf sich nach vorn. Ein Tunnel schien sich vor ihm zu öffnen und ihn einzusaugen, denn der Abstand verringerte sich schneller, als es eigentlich hätte möglich sein dürfen. Johnny gelangte nicht zu Traggeo, aber er erreichte die Pistole und trat sie dem Killer aus der Hand. Dann verspürte er einen Stich an seinem rechten Handgelenk, als Traggeo es schaffte, mit seinem fünfundvierzig Zentimeter langen Messer auszuholen.
Wenn Johnny versucht hätte, auf seinen Fußtritt einen zweiten folgen zu lassen, hätte die Messerklinge ihn getroffen. Aber die Geister, die im Sturm zu ihm sprachen, hatten ihm einen guten Rat gegeben, so daß er bereits wieder zurückwich, um sein eigenes Messer zu ziehen.
Der wahnsinnige Killer grinste, und seine Zähne schienen weißer als der Sturm. Die beiden Riesen standen knietief im Schnee und umkreisten sich langsam mit vorsichtigen Bewegungen. Der umgestürzte Lastzug blockierte die Straße in Fahrtrichtung, und die Anhänger versperrten den Weg nach hinten. Somit hatten sie nur eine kleine Schneefläche als Kampfplatz, die kaum größer als hundertfünfzig Meter im Quadrat war.
Johnny hätte wissen müssen, daß seine Reise ihn irgendwann wieder mit dem Killer zusammenbringen würde, nach dem er suchte, um den Namen seines Volkes reinzuwaschen. Der Kreis schloß sich immer wieder von neuem. Die Verfolgung Traggeos hatte ihn auf die Spur von Delphi gebracht. Und die Verfolgung Delphis hatte ihn wieder zu Traggeo geführt.
Traggeo hielt das Messer hoch. Er machte lange und vorsichtige Schritte. Wareagle hielt sein Messer auf Bauchhöhe, während sich seine Füße im Schnee mit kurzen, gleitenden Bewegungen überkreuzten. Traggeo sah als erster die Chance zu einem Angriff und machte einen Satz, wobei er sein Messer von oben herabfahren ließ.
Johnny wich dem Vorstoß aus, der nur als Ablenkung für Traggeos eigentlichen Angriff dienen sollte. Er sah den kommenden Tritt voraus und stoppte ihn mit einem Schlag auf das Knie. Der wahnsinnige Killer knurrte vor Schmerz.
Traggeo trat vorsichtig mit dem verletzten Bein auf und verzog das Gesicht, während er zurückwich. Er hatte Schwierigkeiten, wenn er das Bein belastete, und verlagerte sein Gewicht, um diese Körperseite zu schützen. Johnny wußte, daß er jetzt im Vorteil war, aber er mußte die Chance nutzen, bevor Traggeo den Schmerz unterdrückt hatte.
Er griff an und blockierte Traggeos Verteidigungsschlag mühelos mit seiner Rechten. Traggeo schaffte es, sich im letzten Augenblick wegzudrehen, so daß die Klinge nur seine Schulter streifte. Er kämpfte den Schmerz nieder und schlug Johnny mit dem Handrücken ins Gesicht. Wareagle geriet ins Taumeln und war so lange geblendet, daß Traggeo einen Messerhieb nach oben anbringen konnte, der genau auf Johnny Kehle zielte. Johnny konnte dem Hieb mit einem Sprung nach hinten ausweichen, worauf er schwankend mit den Fersen am Abgrund stand.
Traggeo erkannte sofort die gefährliche Lage, in die Wareagle sich selbst gebracht hatte, setzte aber nicht sofort nach, wie die meisten es getan hätten. Statt dessen schob er sich langsam vor, wobei er damit rechnete, daß Johnny auf der Kante irgendwann das Gleichgewicht verlieren würde. Da er sich nicht nach hinten bewegen konnte, mußte Wareagle seitlich durch den trügerischen Schnee ausweichen, der jeden Augenblick unter ihm
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