Blaine McCracken 6: Der Tag Delphi
»Ja! Ja, gottverdammt, das könnte funktionieren!« Dann wurde er wieder ernst. »Aber das hilft Ihnen da unten nicht viel.«
»Durch die gesamte Länge des Gepäckraums führt eine Eisenstange«, warf Judy ein. »Ich habe gesehen, daß die Arbeiter die Koffer daran hinablassen. Sie ist mit der Außenhülle verbunden. Wenn Sie sich daran festbinden, werden sie nicht hinausgesogen.«
McCracken nickte.
»Lassen Sie mir nur etwas Zeit, dieses Ding zu wenden und nach Washington zurückzufliegen«, sagte Hollis. »Auch im besten aller Fälle wird es zu einer Notlandung kommen.«
»Damit kann ich leben, Captain.«
»Ich brauche ein paar Minuten, um alles herzurichten«, sagte McCracken, nachdem sie in den Großraum Washington zurückgekehrt waren.
Unten auf dem Flughafen Nation wurden alle Vorbereitungen für den Notfall getroffen. Im Flugzeug war der dünne Teppich vom Boden der Kombüse abgezogen und das Paneel entfernt worden, das den Einstieg zum Frachtraum bedeckt hatte.
»Es wird Zeit. Ich muß die Passagiere vorbereiten«, nickte Hollis.
Blaine ließ sich durch die Luke hinab. »Eine gute Landung.«
»Wir sehen uns dann unten, auf dem Erdboden.«
Die Bombe war vorsichtig in einen Rucksack verstaut worden, den Blaine auf dem Rücken trug; zuvor hatte man sie in Handtücher gehüllt, um Erschütterungen zu vermeiden. In dem Rucksack befanden sich ebenfalls die zusammengebundenen und in Wodka getränkten Sicherheitsgürtel sowie der umgebaute Sauerstoffbehälter. Ein größerer, tragbarer Sauerstoffbehälter baumelte vor seiner Brust. Die daran befestigte Maske hatte er um seinen Hals gelegt. Um die Hüfte hatte er ein sechs Meter langes Nylonseil geschlungen, das er in einem Notfall-Behälter gefunden hatte. Er wollte sich mit dem Seil an der Stange im Frachtraum festbinden, um nicht aus dem Flugzeug gezerrt zu werden.
Als McCracken sich in den Laderaum hinabließ, umfing ihn kalte Dunkelheit. Die Deckenbeleuchtung spendete nur eine spärliche Helligkeit und warf einen dumpfen Glanz auf das ordentlich verstaute Gepäck. Die Maschine war fast ausgebucht, und daher war das Gepäckabteil ziemlich voll. Als Blaine den Boden erreichte, wurde die Luke über ihm wieder geschlossen.
Er folgte der Stange zum vorderen Teil des Flugzeugs und machte eine freie Stelle auf dem Boden aus. Das Loch, das er in die Alumniumhülle des Flugzeugs brennen mußte, mußte groß genug sein, um die Bombe hindurchzuschaffen, aber nicht so groß, daß man es nicht mehr mit Gepäckstücken verstopfen konnte. Mit dieser Vorgabe im Sinn holte er die alkoholgetränkten Sicherheitsgurte aus dem Rucksack und legte sie vorsichtig zu einem sechzig mal sechzig Zentimeter großen Viereck auf dem Boden des Frachtraums aus, wo sich nur ein Zoll Aluminium zwischen ihm und der Luft befand. Dann erhob er sich wieder und befestigte das Seil, das um seine Hüfte geschlungen war, an der Metallstange.
Das war der schwierigste Teil überhaupt, denn er mußte die Seillänge so bemessen, daß er einerseits nicht hinausgesogen wurde, andererseits aber genug Bewegungsspielraum hatte, um die vor ihm liegende Aufgabe bewältigen zu können. Blaine erzielte den besten Kompromiß, den er erreichen konnte, und holte eine Signalpistole aus seiner Tasche. Er öffnete die Düse, und die hellgelbe Flamme flackerte auf. McCracken richtete sie auf das Viereck der Sicherheitsgurte, und der Alkohol fing augenblicklich Feuer. Flammen züngelten an dem rechteckigen Umriß entlang und schwärzten den Boden.
Diese Flammen allein hätten es kaum geschafft, sich durch die Außenhülle des Airbus zu brennen. Doch er verschaffte ihnen Nahrung mit dem Sauerstoff aus dem tragbaren Tank, den er mitgebracht hatte, und die Hitze der Flammen stieg exponential und fraß sich durch das Aluminium, als wäre es Papier. Jetzt würde alles ganz schnell gehen, und Blaine mußte die Bombe durch die Öffnung werfen, bevor es zum Druckabfall kam. Daher holte er sie aus dem Rucksack und drückte sie mit der linken Hand an seine Brust, während er mit der rechten den Sauerstofftank festhielt. Man hätte den Notbehälter für eine große Dose Haarspray halten können, und da er die Maske abgerissen und die Düse freigelegt hatte, funktionierte der Tank auch so ähnlich.
Während seine Schultern, die Hüften und die Beine an die Stange gebunden waren, beugte Blaine sich vor, um den Sauerstoff so nah wie möglich an die alkoholgespeiste Flamme zu bringen. Dann vergewisserte er sich, daß die
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