Blaine McCracken 6: Der Tag Delphi
hinaus und sah, daß die Notrutschen ausgefahren wurden. Er lief hinüber und half den ersten Passagieren, die auf ihnen hinabglitten, wieder auf die Füße.
Captain Hollis rutschte als letzter hinab.
»Ich würde jederzeit wieder mit Ihnen fliegen«, sagte Blaine, als er ihm aufhalf.
Hollis packte Blaine an den Schultern. »Sie haben sich Ihre Flüge redlich verdient, Mr. McCracken.«
Weitere Rettungsfahrzeuge trafen ein; Sirenen und Blaulichter kündigten ihre Ankunft an. Die Rettungsmannschaften hatten kaum mehr zu tun, als die Passagiere aufzusammeln und zu den wartenden Bussen zu führen.
»Dann tun Sie mir einen Gefallen, Captain«, sagte Blaine, »und erwähnen Sie niemandem gegenüber, daß ich an Bord war.«
Hollis warf einen Blick auf das Loch, durch das Blaine die Bombe geworfen hatte, um sein Flugzeug zu retten. »Das war keine leichte Sache, nicht unter diesen Umständen.«
»Und halten Sie sie hin.«
Hollis betrachtete ausführlich die Prellungen auf Blaines Gesicht, die ihm das Fluggepäck zugefügt hatte. »Ich habe das Gefühl, daß so eine Situation nicht unbedingt neu für Sie ist.«
»Das könnte man sagen.«
»Ich werde tun, was in meiner Macht steht.«
»Captain!« erklang eine neue Stimme.
Hollis drehte sich kurz um, um den Boß der Rettungsmannschaft zu begrüßen. »Jedenfalls werde ich …« begann er, als er sich wieder zu Blaine umdrehte. Er brachte den Satz jedoch nicht zu Ende.
McCracken war verschwunden.
Vierzehntes Kapitel
Ben Samuelsons Anruf erreichte den Präsidenten, als er sich für einen Staatsempfang mit Repräsentanten sowohl der israelischen als auch der arabischen Verhandlungskommission ankleidete. Der Friedensprozeß im Mittleren Osten war zu einem Morast geworden, der seine Amtszeit von mittlerweile achtzehn Monaten stark belastete. Der heutige Empfang stellte einen konzentrierten Versuch seinerseits da, den Prozeß wieder in Gang zu bringen. Doch sobald der Präsident den Hörer aufgelegt hatte, summte er seine Sekretärin über die Gegensprechanlage an und befahl ihr, den Empfang um eine Stunde zu verschieben, auch auf das Risiko, seine Gäste vor den Kopf zu stoßen.
Der FBI-Chef wurde zwanzig Minuten später in sein Privatbüro geleitet. Unter seinem Arm steckte eine Aktentasche ohne Griff. Er hatte gebeten, den Präsidenten allein sprechen zu dürfen; nicht einmal Charlie Byrne sollte anwesend sein.
»Nur Sie können die Entscheidung treffen, wer Kenntnis von den Informationen haben darf, die ich ihnen bringe, Sir«, hatte Samuelson erklärt.
»Am Telefon waren Sie ziemlich verschlossen, Ben«, begann der Präsident, nachdem die Tür seines Privatbüros hinter ihnen geschlossen worden war.
Der Chef des FBI stand starr vor ihm. »Gehen wir der Reihe nach vor, Sir. Zuerst einmal konnte Langley aufgrund der Besuchsunterlagen bestätigen, daß Tom Daniels sich in den vergangenen zehn Tagen dreimal mit dem Direktor getroffen hat. Die letzte Begegnung fand am vergangenen Donnerstag statt, dem Abend vor den Morden.«
»Ist das ungewöhnlich?«
»An und für sich ja, weil Daniels nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, die üblichen Kanäle übersprang und sich direkt an Jardine gewandt hat. Ich könnte akzeptieren, daß er einmal so vorgegangen ist. Aber dreimal kann nur bedeuten, daß Daniels Jardines Segen hatte, mit seinem Plan fortzufahren, worum auch immer es sich handeln mochte.«
»Ich nehme nicht an, daß diese Unterlagen auch Zusammenfassungen ihrer Gespräche enthalten.«
»Nein, Sir, natürlich nicht. In dieser Hinsicht bin ich in einer Sackgasse gelandet. Aber ich wurde das Gefühl nicht los, daß die beiden Morde in einem Zusammenhang damit stehen.«
»Mittlerweile haben Sie bestimmt mehr als nur Ihr Gefühl?«
»Darf ich, Sir?«
»Bitte.« Samuelson ging zu dem Schreibtisch aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert an der rechten Wand. Er legte seine Aktentasche darauf und bemühte sich, dabei die Stapel mit der Privatkorrespondenz des Präsidenten nicht durcheinanderzubringen.
»Vor zwei Stunden habe ich einen Anruf vom russischen Botschafter bekommen. Er bestand darauf, Sie augenblicklich in einer Angelegenheit zu sprechen, die für die nationale Sicherheit von größter Bedeutung ist.«
»Für unsere Sicherheit, vermute ich.«
»Allerdings«, bestätigte Samuelson und holte die Tonband-Kassette hervor, die der ehemalige KGB-Sektionsleiter Sergej Amorow Wasili Konschenko ihm gegeben hatte. »Anscheinend bestand eine der
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