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Blamage!

Blamage!

Titel: Blamage! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Saehrendt
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Eine Erkrankung wie im Falle von Sachs ist eigentlich kein Grund zur Scham, schließlich ist es ein schicksalhaftes Ereignis, das hier den Menschen heimsucht, und kein eigenes Versagen. Trotzdem würde es auf den Betroffenen, auf seine Fähigkeiten und letztlich auf seinen sozialen Status zurückfallen.
    Ã„hnliches lässt sich über viele unabsichtliche oder zufällige Folgen unseres Handelns sagen, die zu Peinlichkeiten führen, die auf uns zurückfallen, weil wir die Gesamtsituation nicht unter Kontrolle gehabt haben. Manchmal ist es einfach Pech, sind es Unachtsamkeiten oder Missverständnisse, wie sie beispielsweise dem Autor unterliefen. Auf einem Empfang wurde er dem Gastgeber, einem älteren Herrn, vorgestellt. Eine junge Frau kam hinzu und der Autor, beschwingt vom Sekt, platzte heraus: ›Und Sie müssen die Tochter sein!‹ Dann wurde es ganz still und die junge Dame sagte säuerlich, sie sei die Gattin. Scheinbar freundlicher Vorwitz kann hier tödlich sein, wie auch im Fall einer vermuteten Schwangerschaft. Hier kann die joviale Frage »Wann ist es denn so weit?« die Angesprochene, die vielleicht mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hat, der Lächerlichkeit preisgeben (besonders ungünstig, wenn es sich um die Gastgeberin handelt). Purer Slapstick entwickelt sich oft aus zufälligen Launen und Konstellationen. So versuchte die ehemalige Tagesschau -Sprecherin Eva Herman einmal im angeheiterten Zustand in einem Restaurant einen Tanzschritt zu demonstrieren: »Schwungvoll drehte ich mich auf dem Barhocker um, schwang das rechte Bein und – schwupps – flog mein hellroter, italienischer Pumps in hohem Bogen durch das feine Restaurant und landete, den Bleistiftabsatz in sein Schnitzel bohrend, auf dem Hauptspeisenteller eines berühmten Bundesligasportlers. Unser Essen haben wir dann in einem anderen Restaurant eingenommen …«
    Viele peinliche Erlebnisse resultieren aber auch aus der sogenannten Überschreitungsscham – etwa wenn man gezwungen ist, eine unpassende Rolle zu spielen oder plötzlichen Anforderungen ausgesetzt ist, die das eigene Selbstverständnis in Frage stellen. Unter dem Begriff der Anpassungsscham versteht man Peinlichkeitsgefühle, die dadurch entstehen, dass man Erwartungen und Normen der Gruppe nicht erfüllt, darunter fallen z. B. Unhöflichkeit (aus Unwissenheit), Verspätung, Nichtbeachten des Dresscodes, Mangel an Bildung und Sprachvermögen, Mangel an Statussymbolen bis hin zu Verhaltensanomalien und Abweichungen von gängigen Geschlechterrollen.
    Schamgefühle entstehen auch, wenn man aus erwünschten sozialen Beziehungen herausfällt (Ablehnung durch Freunde, Kollegen, Arbeitgeber, Partner), wenn man ausgestoßen wird (als klassische Strafe) und/oder allein ist oder dies zu sein glaubt. Manchen ist es generell peinlich, allein zu sein, zugeben zu müssen, dass sie Single sind. Diese Menschen gehen niemals allein ins Kino, zu Kunstausstellungen oder Konferenzen. Sie hassen es, bei Empfängen allein herumzustehen, weil sie wissen: Sie schaffen es nicht, sich an einen Stehtisch zu anderen, Unbekannten zu gesellen, auch weil sie glauben, die anderen würden dann denken: »Der ist alleine hier, die arme Sau, der kennt keinen, der ist ein Nichts«. Und manch eine gut gemeinte Single-Party oder -veranstaltung ist schon ins Wasser gefallen, weil sich keiner als einsames Herz zu erkennen geben wollte. Einige Kunstmuseen haben mit Formaten wie »Rendez-vous für Singles« experimentiert, doch die Zielgruppe empfand es schon als Zumutung, das Ticket dafür an der Kasse kaufen zu müssen. Anschließend sollte man im Museum gar einen rosa Button tragen, als Erkennungsmarke, die eigene Einsamkeit ausgestellt wie auf dem Präsentierteller. Und schließlich: Auch Künstler kennen den Alptraum, weithin sichtbar einsam und allein zu sein, vor leeren Rängen spielen, singen oder lesen zu müssen. Das offensichtliche Desinteresse der Öffentlichkeit, die Vorstellung, vom Publikum ignoriert, von den alten Fans vergessen worden zu sein, geht an keinem spurlos vorüber. Die Smashing Pumpkins nahmen ein blamabel schwach besuchtes Konzert, das sie im Frühjahr 2008 in der Münchner Olympiahalle gaben, dagegen mit Humor. Durch Trennbahnen war die Halle ohnehin schon um die Hälfte verkleinert worden, aber selbst auf den verbliebenen Rängen gab es reihenweise freie

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