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Blamage!

Blamage!

Titel: Blamage! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Saehrendt
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Mutter saß einsam. Die Komtessen standen in Rudeln und schnatterten miteinander – ich kannte keine. Beim Souper bildeten sich lustige kleine Gesellschaften – ich war verlassen.« 38 Ein Misserfolg als Mauerblümchen fiel auf die ganze Familie zurück. Deshalb wurden gelegentlich unter befreundeten Familien Abkommen geschlossen, wer wen zum Tanz aufzufordern hatte, um derartige Fehlschläge zu verhindern. Und die Zeit war knapp: Mit fünfundzwanzig galt eine Frau schon als »Alte Jungfer«, mit dreißig war sie als Heiratskandidatin kaum noch vermittelbar. Die britische Schriftstellerin Jane Austen hatte dieses Schicksal bereits vor Augen, als sie hastig dem Antrag eines jungen Mannes aus befreundeter Familie nachgab. Der junge Harris war unbeholfen, schüchtern und wirkte ein wenig beschränkt – nicht gerade der gebildete, belesene Counterpart, den sich Jane erträumt hätte. Nein, Harris war einfach zu peinlich, befand Jane noch in der Nacht und widerrief die Verlobung am nächsten Tag. Doch nun wurde es erst recht peinlich: Jane erschien völlig von Sinnen, und das Verhältnis der beiden Familien wurde auf blamable Weise belastet. Doch mag sich Jane gedacht haben: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende (Harris heiratete übrigens bald darauf und wurde zehnfacher Vater, Jane blieb zeitlebens allein). Bei Bertha Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau kam damals noch der Makel hinzu, dass ihre Herkunft etwas unklar war. Noch immer, auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts galten die Standesgrenzen, der Adel blieb gern unter sich, und Bürgerliche strebten stets danach, »aufwärts« zu heiraten oder durch Titelkauf in den Adel aufzusteigen. Die junge Bertha hatte zwar den Titel einer Komtess, doch ihre Mutter war bürgerlicher Herkunft und hatte überdies versucht, dies erfolglos zu vertuschen. Zudem war der Altersunterschied ihrer Eltern monströs gewesen: 48 Jahre! Und Graf Kinsky starb auch noch, 76-jährig, peinlicherweise kurz vor Berthas Geburt. Mit diesem Handicap kämpfte sie lange Zeit, auch in der Familie ihres späteren Ehemanns, Arthur von Suttner, wo sie als Musiklehrerin angeheuert hatte. Arthur begann sich in sie zu verlieben, doch seine Mutter lehnte Bertha ab. Die Verwandtschaft lästerte: »Schade um diese schöne Person. Aus so gutem Hause und muss sich ihr Geld selber verdienen!« Arbeit war peinlich – zumindest für höhere Töchter. Die Zeit bis zur Heirat sollten die bürgerlichen und adligen Mädchen möglichst sittsam und geschmackvoll verbringen, musikalische und literarische Bildung war dabei durchaus angesagt, allenfalls die kunsthandwerkliche Arbeit galt für Bürgerfrauen und -mädchen als standesgemäße Freizeitbeschäftigung. Doch war es wiederum höchst peinlich, diese Erzeugnisse selbst in der Öffentlichkeit feilzubieten, weil man sich sonst mit den Marktweibern und Handwerkerfrauen auf eine Stufe stellen würde. Dann doch lieber der Gang ins Museum oder Konzerthaus. Kulturbeflissenheit und Bildungshunger wurden ein weiteres Distinktionsmerkmal des Bürgertums, mit dem es sich von den unteren Schichten abzugrenzen versuchte. Mit welcher Hingabe das Bürgertum kulturellen Darbietungen beiwohnte, erstaunte auch Mark Twain, als er 1878 durch Europa bummelte und die Opernaufführung des Lohengrin in Mannheim besuchte: »Das Gebumse und Gepauke, Gedröhn und Gekrache war einfach unglaublich. Der quälende und unbarmherzige Schmerz, den es verursachte, ruht in meinem Gedächtnis gleich neben der Erinnerung an die Zeit, als ich meine Zähne in Ordnung bringen ließ.« Twain litt vier Stunden lang, es wäre ihm vor den anderen Logengästen zu peinlich gewesen, einfach zu verschwinden, während jene den nicht enden wollenden akustischen Orkan genossen: »So lange er anhielt, saßen sie da und sahen so hingerissen aus wie Katzen, denen man den Rücken streichelt.« 39
    Harte Männer, hysterische Frauen – Peinliches aus dem 20. Jahrhundert
    Am Ende des 19. Jahrhunderts war es zu einer scharfen Akzentuierung der Geschlechterbilder gekommen. Die Welt des Gefühls war nunmehr den Frauen zugedacht. Teilweise gestützt auf die Wissenschaften, wurde ein energisches, rational bestimmtes Männerbild propagiert, die Männer sollten den Anforderungen der modernen Gesellschaft und dem Kampf ums Dasein genügen. Mit Ausnahme

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