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Blanks Zufall: Roman

Blanks Zufall: Roman

Titel: Blanks Zufall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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sich und zieht eine Aldi-Tüte auf seinen Schoß und greift hinein. Knolle für Knolle legt er auf die Waage, greift hinein und holt hervor, bis er nickt und die Tüte wieder neben seinen Stuhl stellt. Den Gras-Haufen auf der Waage stopft er genauso bedächtig in eine der kleinen Plastik-Tüten, verschließt sie und reicht sie Marcus. Die knochige, bleiche Hand zittert leicht. Marcus amüsiert der Gedanke, dass Karsten zittert, weil er Angst vor ihm hat. Aber es ist nur das Kiffer-Zittern, zu niedrige Körper-Temparatur, zu viel Nikotin und, wie Marcus ihn kennt, reisen auch Koffein und Kokain durch seine Blutbahnen.
    „Das sind Zwanzig“, sagt Karsten und lächelt. Er versucht es zumindest, denkt Marcus, menschlich zu wirken kann so schwer sein. Karsten ist wie ein Geist, dessen Lächeln früher einmal strahlte, und nach all den Jahren, die sich die beiden kennen, nur eine schlechte Kopie von damals bleibt.
    „Danke“, sagte Marcus, nimmt den Beutel und lässt ihn in seiner rechten Jackentasche verschwinden. Aus seiner Hosentasche holt er einen Zwanzig-Euro-Schein und zeigt ihn Karsten. 
    „Leg ihn einfach irgendwo hin“, sagt der Dealer, das Lächeln verschwunden. Er teilt nun seine Gleichgültigkeit mit Marcus wie mit jedem anderen Kunden. Marcus faltet den Zwanzig-Euro-Schein zusammen und legt ihn so in die Handfläche, dass Karsten sehen kann, dass sie vorher leer war. Dann hält er die geschlossene Faust über die Waage, öffnet sie und ein Zehn-Euro-Schein fällt gefaltet hinunter. Karsten hebt den Schein hoch, faltet ihn auseinander und nur für einen Augenblick huscht das Erstaunen über sein Gesicht, was ihm eine kurze Lebendigkeit zurück gibt.
    „Sehr witzig“, sagt er dann und reicht Marcus den Schein, „und jetzt gib mir den Zwanziger.“
    „Weißt du“, sagt Marcus und nimmt den Schein zurück, „das ist komisch. Wenn du ihn in der Hand hast, dann sieht er aus wie ein Zehn-Euro-Schein, aber wenn ich ihn in der Hand habe,“ er hebt seine rechte Hand ein wenig höher, „dann ist es ein Zwanziger.“
    Karsten nimmt den Schein aus Marcus' Hand, eindeutig ein Zwanziger. Wieder dieses kurz angebundene Staunen.
    „Der ist neu“, sagt er dann und gibt Marcus den Schein zurück.
    „Nee, ist er nicht. Aber du bist immer zu stoned, um ihn dir zu merken.“
    „Mach' nochmal.“
    „Mache niemals denselben Trick zwei Mal hintereinander“, erwidert Marcus und lässt den Zwanzig-Euro-Schein fallen. Er bleibt auf der Waage liegen und Karsten schiebt ihn mit der Außenfläche seiner linken Hand beiseite. Als ob es ihn gar nicht interessiert, denkt Marcus, dass es Geld ist, nur ein dahin geworfenes Stück Papier mit der richtigen Zahl bedruckt. 
    Karsten lehnt sich zurück und verschränkt die Hände hinter dem Kopf, sein Gesicht hat denselben stumpfsinnigen Ausdruck wie zuvor angenommen, als hätte Marcus gar nicht die Scheine gewechselt. Der halb offene Bademantel irritiert Marcus noch immer und er schaut wieder zum Fernseher. Maurice ballert auf Leichen, Tim lacht.
    „Oh Mann, Dicker, gleich ist dein Magazin wieder leer.“
    „Ja, Mann, ich weiß, aber sie tanzen, siehst du? Sie tanzen!“ Dann kichern sie, während auf dem Bildschirm Gliedmaßen zucken. Tim steckt sich einen halb gerauchten Joint in den Mund und zündet ihn an. Marcus zuckt mit den Schultern und schaut wieder zu Karsten, in sein Gesicht, das von blonden, ungewaschenen Strähnen umrandet wird.
    „Willst du schon wieder los, Blank?“ fragt er. „Oder rauchst du noch einen mit? Setz' dich doch.“ Er schiebt mit seinem rechten Fuß einen Stuhl unter dem Tisch hervor.
    „Danke, aber Anna wartet unten“, antwortet Marcus.
    „Warum kommt sie nicht rauf?“ Noch während Karsten fragt, winkt er mit der rechten Hand ab. „Ach, hab ich ja ganz vergessen, sie ist zu fein für uns.“ Marcus grient. Anna ist sich zu fein für jeden, denkt er, der nicht aus Eppendorf kommt. „Aber mein Dope will sie immer noch, was?“
    „Ist halt das Beste“, grölt Tim vom Sofa. Als Marcus zu ihm schaut, hat dieser sich umgedreht und seinen Kopf auf die Unterarme gestützt, die Rückenlehne als Halt. Wie in einem Handpuppen-Theater, fehlt nur, dass gleich das Leben in Tims Gesicht erlischt, die Farbe der Augen verschwärzen und eine Hand hinter dem Sofa hervor schaut, zu sagen, war nur Spaß, ich spiele nur den Kiffer. So bekäme Tims Existenz wenigstens eine Erklärung. „In Hamburg ist's mal wieder knapp und nur du hast noch immer diese

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