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Blanks Zufall: Roman

Blanks Zufall: Roman

Titel: Blanks Zufall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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famose Gras, du alte Drecksau.“ 
    „Halt die Klappe, Tim“, grölt Karsten. Tim dreht sich wieder um und starrt zurück auf den Fernseher. Karsten stützt sich auf die Tischplatte und verzieht das Gesicht. Er kneift die Augen und Lippen zusammen, als denke er nach. Marcus weiß, dass dies eine Täuschung ist, eine Illusion ohne Effekt.
    „Mann, Blank“, sagt Karsten, „Jetzt echt mal: Warum bist du immer noch mit ihr zusammen? Sie ist eine Studentin, Mann. Nichts gegen dich, Blank, ne, aber Studenten sind voll die Spinner, weißt du, wie ich mein? Du bist anders, klar, Dicker.“
    „Bin ich das?“ fragt er und schaut zum Fernseher. Eine dunkle Gasse, eine Waffe fliegt. Maurice raucht den Joint weiter, Tim hat das Joypad übernommen und ballert gegen eine Wand.
    „Hier bleiben die Löcher drin, ey. Wenn ich nachher zurück komme, sind die immer noch da.“
    „Aber du kommst nicht zurück, Mann.“
    Als Marcus wieder zum Tisch blickt, ist Karsten aufgestanden und schaut ihn besorgt an.
    „Alles klar, Mann?“ fragt er und hebt schützend seine Hände. Wenn er jetzt seine Arme ausbreitet, sieht es so aus, als wollte er Marcus umarmen. Marcus zuckt mit den Schultern. Nichts ist klar, denkt er, Anna ist nicht mehr klar, gar nicht klar.
    „Ich geh' jetzt, Karsten. Sehen wir uns Freitag bei Jenny?“
    Karsten setzt sich wieder. Sein Blick bleibt leer im Raum. Dann hebt er die Aldi-Tüte wieder hoch, legt sie neben die Waage und greift eine Knolle heraus.
    „Ey, gib' mal Blättchen!“ ruft er. Ohne seinen Blick vom Bildschirm zu wenden, wirft Maurice ihm eine kleine, schwarze Packung hinüber.
    „Jenny kann mich mal, Alter“, sagt Karsten.
    „Das mein ich nicht, Mann. Ich feier' rein.“
    „Ach so.“ Karsten zieht ein Blättchen aus der Packung, faltet es und legt es auf die Waage. Während er Tabak und gezupfte Gras-Stückchen darauf verteilt, so sorgsam, als erfülle er die Klauseln eines Kiffervertrags, fragt er: „Warum muss das denn bei Jenny sein, Blank? Hast du keine andere Location gefunden, oder was?“
    „Jenny schuldet mir noch was, also ist alles umsonst für mich. Außerdem werde ich auftreten.“
    Karsten hält inne. „Du darfst in der Bar auftreten?“
    „Äh, ja“, lächelt Marcus.
    „Für mich hätte sie das nie gemacht, Blank“, sagt er und schüttelt den Kopf.
    „Womit willst du denn auftreten, Karsten?“ ruft Maurice lachend.
    „Halt die Klappe, Arschloch.“ Dann wieder an Marcus gewandt: „Mal sehen, Blank. Vielleicht komme ich ja, um wenigstens deinem Arschloch zu gratulieren.“ Der Joint ist fertig gedreht, Karsten zündet ihn an und reicht ihn Marcus über den Tisch.
    „Nein danke.“
    „Wer nicht will“, sagt Karsten und zieht Rauch in seine Lungen.
    „Ich geh' jetzt“, sagt Marcus, „danke, Mann. Und bis Freitag.“
    „Ich bin auf jeden Fall dabei, Blank“, ruft Tim.
    „Ich auch, Mann“, stimmt Maurice mit ein. Klar seid ihr das, ihr verschissenen Schmarotzer. Mal sehen, wen ihr diesmal anschnorrt.
    „Alles klar. Bis dann, Leute.“
    „Bis Freitag, Blank“, sagt Karsten, sein kopiertes Lächeln verschwimmt im Rauch, der dichter wird mit jedem Zug.
    Ohne weitere Worte verlässt Marcus das Zimmer, durchquert zügig den vermüllten Flur, öffnet und schließt die Wohnungstür. Im Dunkeln, mit der linken Hand am Geländer und von gedämpften Geballer aus Karstens Wohnung begleitet, schlendert er durch das Treppenhaus nach unten, bleibt so weit von der Haustür entfernt stehen, dass Anna ihn noch nicht sehen kann.
    Karstens Gras ist so frisch, dass sein Geruch durch die Plastiktüte und die Jackentasche hinaus ins Treppenhaus dringt. Jeder Kiffer durchlebt wohl mindestens ein Mal diese Angst, ertappt zu werden als das, was man ist, wenn der Geruch zu penetrant wird. Wäre Marcus in einem Bus gewesen, hätte er gewiss diese Angst verspürt, und in seinen Gedanken zeigen sie mit den Fingern auf ihn und rufen „Da ist der Kiffer, schaut alle her!“ Es ist Marcus unangenehm zu sein, was er ist. Längst vorbei ist die Zeit, dass er dachte, einer besonderen Gemeinschaft von Eingeweihten anzugehören. Jetzt ist er nur noch ein Kiffer. Aber hier im Treppenhaus riecht ihn niemand.
    Anna raucht eine Zigarette vor der Haustür, ihr Gesicht zum Warten verspannt. Wenn die Glut aufleuchtet, leuchten auch ihre Augen. Aber nur dann. Sie sieht müde aus, denkt Marcus, warum trinken wir nicht gleich einen Kaffee, ziehen uns einen Film rein, ganz ohne Dope. Aber das wird

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