Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)
und wos de ollas ham!«
Johannes sah kurz zu den Mädchen und, so schnell er konnte, wieder ins Feuer, um nicht zu zeigen, dass er sie belauschte. Es fiel ihnen nicht auf, dass Johannes plötzlich loslief und eilig zurück zum Dorfplatz hastete, um zu überprüfen, ob die Schönheit aus der Hauptstadt wirklich anwesend war.
Johannes beeilte sich, um im Dorfspektakel die fremde Familie zu finden. Er wollte ihr eine Hand entgegenhalten, ihr signalisieren, dass es auch freundliche, gebildete Menschen in St. Peter gab, und vor allem verhindern, dass diese atemberaubende Schönheit, die er beim Sonnenbad beobachtet hatte, Opfer des phallozentrischen Rossbrand wurde. Johannes hatte schon mit acht Jahren, als Robert in der Umkleidekabine vor dem Turnunterricht seinen Schlingel herausgeholt und ihn den Mitschülern präsentiert hatte, weil er ein Haar darauf gefunden hatte, gewusst, dass mit dem Burschen etwas nicht in Ordnung war. Gerade als Johannes von der Masse Richtung Bürgerzentrum gedrängt wurde, wo die Toiletten geöffnet waren, trat die rothaarige Schönheit aus der Glastür. Gekleidet war sie von Kopf bis Fuß in Stoffe, die man in St. Peter höchstens in den Hochglanzmagazinen in Angelika Rossbrands Friseursalon sah: ein eng anliegendes zitronengelbes Kleid, dazu eine dotterfarbene Lackhandtasche ohne Henkel und grüne, mindestens zehn Zentimeter hohe Samtpumps, die bei jedem ihrer Schritte über die Gemeindezentrumstreppe klackerten. Beim Geräusch der Stöckelschuhe drehten die Umstehenden die Köpfe, mit dem Gesichtsausdruck einer Tierherde, die Bedrohung witterte. Fast bis zum Steißbein reichten die Haare, so voll der rote Farbton, so fett die Sättigung, so eindrucksvoll die Leuchtkraft, dass sie mehr einem Gemälde ähnelte als einer realen Frau, dachte Johannes. Er ruderte mit Händen und Füßen, um sie abzupassen, denn er hatte entdeckt, dass am Fuß der Treppe bereits Robert Rossbrand und seine Bande warteten. Sie lehnten an ihren Motorrädern auf dem Zweiradparkplatz und verbrachten den Abend vor dem Aufgang zur Damentoilette. Als nun das fremde Mädchen herauskam, warfen sie ihre Motoren an, Robert Rossbrand ließ seinen Gatschhupfer aufheulen, Johannes wollte dazwischenspringen und sie wegzerren, doch er kam zu spät. Robert hatte bereits Blickkontakt aufgenommen, und Johannes hörte nur noch, wie er sagte:
»Na Pupperl, woar’s lustig am Klo? Eins sag i da glei, mit mir hätt’st mehr Spaß g’habt.«
Kaum hatte er gesprochen, grölte der Rest der Dorfburschen los. Johannes fühlte sich bei den U-u-u-u-u-u- und Ho-ho-ho-ho-ho- Lauten an eine Pavianbande erinnert. Die schöne Unbekannte jedoch verzog keine Augenbraue.
»Lass mich raten, du möchtest mir damit eigentlich sagen, wenn du mich nackt sehen würdest, würdest du ur glücklich sterben?«
Ehrfurchtsvoll sah die Horde zu Robert Rossbrand, der seinen Oberkörper nach vorne streckte, als wäre er der Anführeraffe.
»Natürli Schatzerl, dei Körper is mei Kathedrale.« Die Fremde blieb unbeeindruckt:
»Pech für dich, dass heute keine Messe ist. Und würde ich dich nackt sehen, würde ich wohl vor Lachen sterben.«
Robert Rossbrand holte Luft und sagte überrascht: »Uh, Kratzbürstenalarm. Des Schnucki sollt ma an’d Leine nehmen«, und selbst darauf hatte sie eine Antwort parat: »Aber warum denn, du läufst ja auch noch frei herum?«
Die Mofagang prustete vor Lachen, und als Robert ihrem Blick nicht mehr standhalten konnte, schwang er sich auf seinen Gatschhupfer, deutete mit Winken zur Abfahrt und fuhr voran.
»Hochg’schissene Fut!«, rief er noch, bevor er mit laut aufheulendem Motor und verfolgt von den anderen Dorfburschen Richtung Fußballplatz verschwand. Johannes stand daneben wie eine Statue und konnte nicht aufhören, sie zu bewundern. Sie hingegen lächelte triumphierend und wandte sich ihm zu:
»Na, hast du vergessen, wo dein Moped steht, oder lassen dich die andern Jungs heut nicht mitspielen?«
»Ich, also, ich, ich gehör nicht zu denen«, stotterte Johannes, »ich hab nicht mal ein Moped, ich, ich, wollte dich nur vor Robert beschützen. Der ist ein Idiot, aber, du, also, das war große Klasse.«
Kaum hatte er das Kompliment ausgesprochen, wurde er verlegen und begutachtete den Boden.
»Ach, komm. Solche Prolos verspeis ich zum Frühstück. Ich komm aus der Stadt, da rennen viel ärgere herum als der. Der ist ein kleiner Kläffer, beißt aber nicht«, antwortete sie selbstbewusst.
»Ich weiß«,
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