Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)
Bikinis über die Schultern streifte, verspürte Johannes den unbändigen Drang aufzuspringen, um ihr wie ein Mundschenk zu Hilfe zu eilen. So musste es ausgesehen haben, als Aphrodite aus dem Meeresschaum in Kreta geboren wurde, dachte er und beschloss, später in sein Notizbuch zu schreiben, dass mitteleuropäische Göttinnen in der Hauptstadt geboren werden.
Wie lange Johannes im Gebüsch gelegen hatte, konnte er nicht sagen. Er lag still und beobachtete, wie das Mädchen Seite für Seite eine Zeitschrift las, zur Musik manchmal mitpfiff und mit den Beinen wippte. Er ertappte sich dabei, dass er der Versuchung nicht widerstehen konnte, mit den Zehen im Takt zu wackeln.
Wahrscheinlich würde Johannes heute noch dort im Gebüsch der Waldzunge liegen, wäre nicht irgendwann ein schwarzer Geländewagen in die Einfahrt gebogen, woraufhin die Schöne ihren Sonnenplatz verließ. Kaum war sie weg, stellte Johannes fest, dass die Dämmerung bevorstand, und da es entlang seines Weges keine Straßenlaternen gab, machte er sich schleunigst auf, solange er noch etwas sehen konnte. Doch er nahm sich vor, so schnell wie möglich den Namen dieser Schönheit in Erfahrung zu bringen.
[Das sympathische Herrscherpaar, Notizbuch III]
[10.0.] So vergingen nach den Dingen, von denen ich erzählt habe, die Jahre in St. Peter. Die Bergbarbaren lebten in Wohlstand durch den Verkauf ihrer Adlitzbeeren und wurden, wie es ihnen gefiel, von der Welt in Ruhe gelassen. [10.1.] Wie ich schon an anderen Stellen mehrfach berichtet habe, wurde das Lenker Kloster gern und oft von verschiedenen Herrschern besucht, die dort mit ihrem Hofstaat abstiegen und den Mönchen ihre Aufwartung machten, stets gratulierend, wie gut diese für das katholische Seelenheil jener abgelegensten Gegend des damaligen Reiches sorgten. [10.2.] In welchem Jahr genau es war, verraten die zahllosen Geschichtschroniken nicht, doch es trug sich zu, daß der junge charismatische Herrscher mit dem markanten Bart das Lenker Kloster besuchte und, auf der dortigen Terrasse stehend, in große Bewunderung über die sich am Horizont erhebenden Sporzer Alpen verfiel. Schließlich soll der Kaiser mit seiner Frau beschlossen haben, eine Wanderung zu unternehmen, und diese führte sie über schöne Wege, durch unberührte Urwälder hinauf bis nach St. Peter am Anger. [10.3.] Die St. Petrianer traf der Besuch des hohen Herrschers unvorbereitet, sie waren gerade dabei, ihren Traditionen entsprechend das Sonnwendfeuerfest zu begehen. Dieses Fest ist auch heute noch von großer Bedeutung, wie ich selbst recherchiert habe, und muß den Berichten nach in früheren Zeiten stets prächtig und mit köstlichen Speisen ausgerichtet worden sein. [10.4.] Es heißt, der Kaiser und die Kaiserin hätten sich allzusehr erfreut, von den St. Petrianern zum Mitfeiern eingeladen worden zu sein und in ihren Herzen die Bergbarbaren als wunderbarstes aller ihrer untertänigen Völker betrachtet. Auch die St. Petrianer waren dem Kaiser und seiner von ihnen ob ihrer atemberaubenden Schönheit bewunderten Frau sehr lieb gesonnen, sie schätzten die Naturverbundenheit der Regenten, die zu Fuß zu ihnen hochgestiegen waren. Aus eigener Nachforschung weiß ich: Sobald ein Spanferkel und genügend Gerstensaft vorhanden sind, verhalten sich die Bergbarbaren generell freundlich.
Das Sonnwendfeuer
Der Juni verging schnell, Johannes beobachtete viel, notierte seitenweise Vermutungen, Verdachtsmomente und marschierte erneut zum Westhang. Tagelang hatte er sich mental darauf vorbereitet, Hallo zu sagen, anstatt sich im Wald zu verstecken. Mit Herzklopfen läutete er an der Tür, flüsterte seine einstudierte Begrüßung vor sich her, doch niemand war zu Hause. Also betrachtete er eine halbe Stunde lang die Architektur des Hauses und ging wieder. Auf dem Heimweg ärgerte er sich sehr, dass ihm abermals der Gedanke an eine Skilift-Talstation gekommen war, denn er hasste nichts so sehr, wie die Meinung der Dorfbewohner zu teilen. Der Kubus aus Glas und ohne Dach, der Garten eine unfertige Wüste – alles sah so aus, als wäre der Skilift in der Sommerpause, und als würde sich beim ersten Schnee die Glasfassade öffnen, um Gondeln auf den Großen Sporzer zu entlassen.
Peppi Gippel zu befragen, war eine mühsame Angelegenheit, vor allem da sie, fast jedes Mal wenn sie sich trafen, nur wenig sprachen und eilig zum Pfitschigoggerln übergingen. Johannes führte Buch über jedes Spiel, und in der
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