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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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zu erzählen, von der Scheidung ihrer Eltern, ihrer Jugend in diversen Hauptstädten, den ständigen Reisen ihres Vaters, der als Architekt zuletzt in Shanghai Hochhäuser errichtet hatte, es nun aber beruflich ruhiger angehen lassen wollte. Sie erzählte, dass sie ab Herbst Publizistik studieren und Fernsehsprecherin werden wollte – Simona meinte, ihr Gesicht sei geeignet für den Bildschirm, da brauche man schmale, lange Züge, weil im Fernsehen ja alles breiter aussehe, als es tatsächlich sei, nur ihre Nase, meinte sie zum Schluss, die müsse noch operativ verkleinert werden. Als das Gespräch bei der Nase angekommen war, war die Weißweinflasche leer und Johannes zum ersten Mal betrunken.
    »Du bist perfekt, deine Nase ist die schönste der Weltgeschichte, nicht mal Kleopatras Nase war so schön, und wegen der wurden Kriege geführt!«
    Johannes schwankte ein bisschen, er hob beim Reden den Arm, um seine Aussage wie mit einem Rufzeichen zu unterstreichen, und verlor dadurch beinah das Gleichgewicht. Simona hielt ihn fest.
    »Hopa«, sagte Johannes und wollte sich entschuldigen, aber nicht nur er hatte zu viel Wein getrunken. Da der Hochsommer bevorstand, befand sich Simona auf Bikini-Diät und hatte heute erst einen Vogerlsalat mit zwei Äpfeln gegessen, weswegen ihr der Wein zu Kopf stieg und ihre Hemmungen vornüber von der Mauer purzelten. Noch dazu war es ein schöner Abend, der Feuerschein romantisch und Simona gefühlsduselig, seit ihr heute Nacht das erste Mal der atemberaubende Sternenhimmel von St.   Peter am Anger aufgefallen war. So voller Lichter war er, dass er beinah unaufgeräumt aussah. Simona kniff die Augen zusammen, konzentrierte sich auf Johannes und stellte fest, dass er, wenn er etwas zunehmen würde, seine Hemden moderner wären und er nicht so herumzappeln würde, eigentlich sehr süß wäre. Und so ließ Simona Johannes’ Arm nicht los, beugte sich stattdessen zu ihm und presste ihre Lippen auf die seinen. Johannes erschrak. Er hatte noch nie ein Mädchen geküsst. Zweimal war er geküsst worden, als seine Klassenkameradinnen auf dem Skikurs Pflicht-Wahl-oder-Wahrheit gespielt hatten. Beide Male war er daraufhin weggelaufen, zumal es auch immer dicke Mädchen gewesen waren, denen die anderen auferlegt hatten, ihn zu küssen. Nun aber war es die schönste Frau der Welt, und er wollte auf keinen Fall weglaufen. Er wusste nur nicht so recht, wie das ging, zitterte, als sie ihre Arme um ihn schlang, und er versuchte, es ihr gleichzutun. Das Umarmen bekam er noch hin, doch der Umgang mit ihrer Zunge war schwieriger. In diesem Moment ertönte lautes Grölen aus Richtung des Feuers. Johannes und Simona ließen voneinander ab und beobachteten, wie sich die Puppe langsam von ihrem Stecken löste. Zuerst fiel der Fuß ab, dann begann der zweite zu brennen, die Menge versammelte sich und feuerte die Flammen an. In der ersten Reihe entdeckten sie Simonas Vater. Er schien etwas beschwipst und versuchte, mit den Leuten rundum ins Gespräch zu kommen. Die St.   Petrianer wichen ihm aus, man wollte nicht mit dem lallenden Zua’greisten reden, sondern der Puppe beim Fallen zuschauen und das Freibier kassieren.
    »Ich glaube, du solltest deinen Vater nach Hause bringen, bevor ihn einer ins Feuer schubst«, flüsterte Johannes und versuchte, ihren Hals zu küssen, wie er es aus Ovids Liebesgedichten kannte.
    »Meinst du?«, fragte Simona und verzog ihre Lippen zu einer Schnute. Schnell ließ sie sich von der Kirchenmauer gleiten, drückte Johannes einen schmatzenden Kuss auf und eilte davon.
    Lange blieb Johannes sitzen, und erst als das Feuer ausgegangen und der letzte Glutherd von einem betrunkenen Feuerwehrmann mit Bier gelöscht worden war, ging auch er. In seinem Gesicht war Simonas Lipgloss verschmiert, und zu Hause angekommen suchte er Ilses Digitalkamera, mit der sie die Faschingsverkleidungen im Kindergarten fotografierte, und experimentierte bis zur Morgendämmerung mit den Lichtverhältnissen im Bad, bis er es geschafft hatte, ein Bild von sich zu machen, auf dem der Lipgloss deutlich als solcher erkennbar war. Johannes schien das alles unwirklich. Es hatte schon fünf Minuten danach wie ein Traum angemutet, nur der Lipgloss war ein Beweis, dass es tatsächlich geschehen war.

[Die Besteigung des Großen Sporzer Gletschers I, Notizbuch III]
    [10.5.] Schließlich kamen eines Tages Bergsteiger auf Geheiß seiner Majestät, die zum Wohle der Monarchie den Großen Sporzer erklimmen wollten.

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