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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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zum Wirtshaus Mandling knarrend öffnete und alle von ihren Gläsern zu Johannes aufblickten, verspürte er den Impuls, sofort umzukehren, doch er besann sich, dass er Peppi versprochen hatte, ihn hier zu treffen. Obwohl Johannes es nicht zugab und in seinem Notizbuch vermerkt hatte, Peppi sei ein wichtiger Informant, war ihm der Stürmer seit Beginn ihrer Angertaler Pfitschigoggerlweltmeisterschaft ans Herz gewachsen. Johannes hakte seine Hände am Gürtel ein und schritt die Stiegen hinunter, bemüht, Selbstsicherheit auszustrahlen. Die Stube, in der Stammtisch und Schank das Zentrum bildeten, befand sich im Souterrain. Die Fenster begannen nur wenig unterhalb der Holztramdecke, die mit ihren gewaltigen Pfosten – von Alois Irrweins Vater gezimmert – den Raum nach unten drückte. Johannes fühlte sich beim Hinabsteigen der Eingangsstufen, als beträte er ein steinzeitliches Höhlensystem. Am hellsten war die Stube hinter der Schank, da der Wirt Kontrolle über seine mit Portionierern versehenen und verkehrt aufgehängten Spirituosen behalten musste – ansonsten gab es lediglich drei geschmiedete Eisenlampen, die wie Stalaktiten von der Decke hingen, und einige Kerzen auf den Tischen. Peppi war noch nicht da, was Johannes keineswegs wunderte. Der Fußballer war ein verlässlicher Zuspätkommer, da er für das Duschen nach dem Training stets länger brauchte, als er glaubte, und sich dann über sein eigenes Zuspätkommen wunderte. Johannes hingegen fragte sich, warum er, obwohl er sich mittlerweile regelmäßig mit Peppi traf, noch immer pünktlich war, und ärgerte sich über sich selbst, als er einsam und verloren inmitten des Wirtshauses stand, von allen Biertrinkern gemustert.
    Auch der Wirt Mandling blickte interessiert vom Zapfhahn auf und kümmerte sich nicht darum, dass der Bierschaum an beiden Seiten des Glases hinabsprudelte. Von der Stammkundschaft hatte er das Gerücht vernommen, der kleine Irrwein habe Anfang Juni so viel gesoffen, dass er in Ilses Gemüsegarten eingeschlafen sei, was ihn sehr erfreut hatte. Alois Irrwein war einer seiner besten Kunden, und es wäre ein herber Verlust gewesen, wäre dessen einziger Spross nicht nach dem trinkfesten Vater geschlagen. Herr Mandling rieb sich seinen Spitzbauch, der über die weinrote Hüftschürze hing und den er liebevoll Glückspanzer nannte. Als sich Johannes an die Schank setzte, wunderte er sich, wie freundlich ihn der Wirt begrüßte. Der Wirt wiederum war verblüfft, als der junge Irrwein nur ein Cappy g’spritzt bestellte. Herr Mandling warf sich das Schanktuch über die Schulter und drehte sich weg, um den Orangensaft aus dem Kühlkasten zu holen. Johannes saß indessen nervös am Tresen und blickte sich um. Es war Mittwochabend, mäßiger Betrieb. Peppi hatte erzählt, dass heute die Fußballvereinsjahreshauptversammlung stattfände, und Johannes kombinierte, dass die meisten ein Einstimmungsbier tankten, Vorabsprachen trafen und eine Kleinigkeit aßen, bevor sie ins Fußballhaus pilgerten. In kleinen Gruppen saßen ausschließlich Männer um die quadratischen, dunklen Eichenholztische. Das Schmatzen, Aneinanderklirren von Gabeln und Messern, das Rücken von Tellern, das Abstellen schwerer Bierkrügerln auf Pappuntersetzern erfüllte den Raum.
    Als kurz darauf die Tür aufschwang, drehte sich Johannes sofort in der Hoffnung um, Peppi käme und erlöse ihn, doch es war nur Robert Rossbrand, der eilig die Stiegen herunterjoggte. Robert Rossbrand setzte sich nicht, sondern blieb an der Schank stehen. Johannes musterte das lang gezogene Profil, das kantige Kinn, ein paar Hautunreinheiten auf der Wange, die die Pubertät überlebt hatten. Seine Augen konnte er nicht sehen, da Robert beständig auf seine Schuhe blickte. Erst als der Wirt aus der Küche kam, schaute Robert auf. Der Wirt kaute ein Scherzel, und Johannes verstand vor lauter Brösel nicht, was er zu Robert sagte. Dieser wiederum sprach so leise, dass er vom Wirtshauslärm übertönt wurde. Kurz darauf steckte sich der Wirt das letzte Stück Brot in den Mund, griff in die Tasche seiner Schürze und fingerte ein Plastiksackerl mit silber-rot glänzendem Inhalt heraus. Schnell wechselte das Sackerl den Besitzer, Robert Rossbrand steckte es hastig ein, lief die Stiegen hinauf und raste mit aufheulendem Motor davon. In diesem Moment drehte sich der Wirt um. Er hatte die letzten Brösel hinuntergewürgt und sah Johannes mit einem Blick an, der besagte, dass er ganz genau registriert hatte,

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