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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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zusammen. Und wenn die Ernte wie jetzt wegen Regens unterbrochen war, wurde im Wirtshaus auf besseres Wetter gewartet. Denn es war ein heiliges Gesetz, dass während der Adlitzbeerenernte niemand einer anderen Beschäftigung nachging.
    Johannes jedoch hatte eine Aufgabe, die ihm weder sein gebrochener Arm noch der Regen nehmen konnten – er las sich durch die Welt der Würmer. Bald war er von den Wesen fasziniert. Er fand es außerordentlich, wie so ein kleines Staubkorn im Wasser von einem Krebs gefressen wurde, den dann ein Fisch verspeiste, der wiederum von einem Fuchs, einem Hund oder einem Menschen gegessen wurde, bis sich das Staubkorn im Darm des letzten Gliedes zu einem richtigen Lebewesen entwickeln konnte. Er staunte über den Überlebenswillen, den solch ein Tier haben musste, wenn es all diese Stadien in Kauf nahm, genau wissend, dass es nur mit viel Glück dort hinkommen würde, wo es hingehörte.
    Elisabeth fand diese Überlegungen ekelerregend. Wenn Johannes zu erzählen ansetzte, drohte sie, sich zu übergeben, und das wollte er dem Kind nicht antun. Zu gern hätte er ihr, seiner Frau und besten Freundin, mehr von seinem neuen Wissen erzählt. Etwas Besonderes zu können, war in St.   Peter normal, aber etwas Außergewöhnliches zu wissen, unterschied ihn vom Rest des Dorfes. Tagtäglich – nicht nur, wenn er ihr von Würmern erzählen wollte – wunderte sich Johannes, wie anders Elisabeth seit ihrer Schwangerschaft geworden war. Häufig klagte sie, wie anstrengend es sei, schwanger zu sein, dass sie so leiden müsse, dass ihr alles wehtue. Johannes verstand sie nicht. Was war nur mit der Elisabeth passiert, die sich beim Aufstauen des Mitternfeldbaches einen Nagel durch die Sohle getreten hatte und vollkommen unbeeindruckt durch den Ostwald und über zwei Äcker nach Hause marschiert war? Johannes wühlte daraufhin wieder in der Bibliothek. Er las, dass eine Schwangerschaft das größte Glück für eine Frau sei, der schönste Zustand in ihrem Leben, woraufhin er sich schwertat, Elisabeth weiterhin ernst zu nehmen, und vor ihren Klagen immer häufiger flüchtete. Was Elisabeth niemals zugegeben hätte: Sie war eifersüchtig auf Johannes, dessen Bauch mit Wurm mehr Aufmerksamkeit erregte als der ihrige mit Kind. Sonntags umzingelten sie die Dorfkinder, sobald sie aus der Kirche kamen, wollten jedoch niemals die Tritte des Babys fühlen, sondern immer nur mit dem Ohr auf Johannes’ Bauch hören, was der Wurm machte. Ständig brachten irgendwelche Tanten der Handelskollegen von Heiligenstatuen und Großmütter von Cousins aus der Blasmusikkapelle diverse Kräutersude oder Wurmöle. Keines davon vermochte den Wurm zu beseitigen, vielmehr bescherten sie Johannes Würgeanfälle und schnellen Gang. Nur Elisabeth wurden keine Hausmittel gebracht.
    Als sich die Sturmfront ausgeregnet hatte und ein pittoresker Altweibersommer die Waldhänge golden färbte, kamen Bergsteiger ins Dorf. In den letzten Jahren waren sie ausgeblieben, und die St.   Petrianer hatten schon befürchtet, dass sie irgendwann zurückkommen würden, doch hätten sie niemals gedacht, es gäbe Bergsteiger, die verrückt genug seien, im Herbst zu kommen – Altweibersommer hin oder her. Wie immer, wenn die Wahnsinnigen heranrückten, klappten die Fensterläden zu, wurden die Wäscheberge ins Haus geholt und die Kinder heimgerufen, noch bevor der Tross das Ortsschild passiert hatte.
    »Wos sand des bloß für Männer, wann de si net amoi rasiern könna«, flüsterten sich die letzten St.   Petrianer am Dorfbrunnen zu, bevor sie davonstoben. Einige Anrainer lugten zwischen den Vorhängen hervor, aber bis auf den Wirt, der ihnen dreifache Preise berechnete, ging man den Bergsteigern aus dem Weg. Die Männer verkrochen sich in Wäldern und Werkstätten, der Pfarrer sperrte die Kirche zu. Seit Jahrzehnten fragten sich die St.   Petrianer, welche Kopfverletzungen diese Fremden erlitten hatten, dass sie auf Teufel komm raus über die Nordwand, die man im Volksmund auch Mordwand nannte, auf den Großen Sporzer gelangen wollten. Die Dorfbewohner mochten es gar nicht, wenn Fremde aus dem Flachland in ihrer Nähe waren, und so fühlte sich niemand bemüßigt, ihnen Ratschläge oder gar Hilfe für die Besteigung anzubieten. Wenn einer den Weg nicht kannte, hatte er dort, wo er hinwollte, nichts verloren. Die Bergsteiger ließen jedoch nicht locker und versuchten, den Großen Sporzer zu erklimmen. Sechs Tage später aber mussten sie aufgrund des

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