Die Seelenkriegerin - 3
Was werden die Spielleute in späteren Zeiten singen von den letzten Tagen vor der entscheidenden Schlacht?
Von den Seelenfressern mit ihren bunt schillernden Schwingen werden sie singen, die sich von der Lebensenergie der Menschen nährten und das Erste Königtum zu Fall brachten. Und von den Märtyrern, die sich unter Führung der letzten noch lebenden Hexen und Hexer zu einem Heer versammelten, um die Plage dieser Welt zu bekämpfen. Diese Helden trieben die Riesenbestien mit Feuer und mit ihrem Glauben in ein Gefängnis aus Eis und hofften, der lange Winter mit seiner Kälte und Dunkelheit würde nicht bloß an ihren Kräften zehren, sondern sie letztlich töten. Und die Götter schleuderten, so glaubte man, in ihrem Zorn mächtige Speere auf die Erde und errichteten daraus eine Barriere, die bis ans Ende der Zeiten alle dennoch überlebenden Seelenfresser aufhalten sollte. Dieser »Heilige Zorn« überdauerte vierzig Generationen und ließ das Zweite Königtum aufblühen und gedeihen. Doch in Wirklichkeit war er nicht von den Göttern geschaffen, sondern lediglich ein Werk der Hexen und Hexer, und als er endlich seine Kraft verlor, drangen die Seelenfresser abermals in die Reiche der Menschen ein …
Von den Magistern werden sie singen, jenen unsterblichen Zauberern, deren Macht grenzenlos schien, und davon, wie das Magistergesetz ihr Los an das Schicksal der sterblichen Menschen band. Doch kein Spielmann wird von dem Geheimnis im Herzen dieser dunklen Bruderschaft singen, denn kein Sterblicher, der diese Wahrheit entdeckte, durfte weiterleben. Die Magister speisten ihre Zauberkräfte nämlich mit der Lebensenergie menschlicher Konjunkten, das heißt, sie erkauften sich die eigene Unsterblichkeit mit dem Leben ihrer unschuldigen Opfer. Vielleicht wurden sie dadurch innerlich so verdorben, dass sie auch für ihresgleichen nichts anderes als Feindschaft empfinden konnten – vielleicht gab es dafür auch einen anderen Grund. Colivar war offenbar der Einzige, der die Wahrheit kannte, doch selbst seinem ältesten und entschlossensten Rivalen Ramirus war es nicht gelungen, ihm sein Wissen zu entlocken.
Von Kamala werden sie singen, dem rothaarigen Mädchen, das dazu bestimmt schien, in Armut und von Männern missbraucht in Gansang in der Gosse zu leben, das sich jedoch gegen dieses Schicksal auflehnte und als erste Frau die wahre Zauberei erlernte. Doch dann tötete sie versehentlich den Magister mit Namen »der Rabe« und brach damit das heiligste Gesetz der Bruderschaft; nun wagte selbst ihr Mentor Aethanus, der einsam in den Wäldern lebte, nicht länger, ihr Unterschlupf zu gewähren. Sie war gezwungen, sich als Hexe auszugeben und die ganze Welt zu bereisen, um ein Geheimnis oder ein Pfand zu finden, mit dem sie sich von der Strafe freikaufen konnte, um danach den Titel eines Magisters offen zu tragen und ihren Platz in der Bruderschaft der Zauberer einzunehmen.
Von Danton Aurelius werden sie singen, der mit eiserner Faust über das Großkönigreich herrschte, bis ihn der Verräter Kostas ins Verderben stürzte. Sie werden Klagelieder um die beiden jungen Prinzen zum Vortrag bringen, die mit ihrem Vater ums Leben kamen, und zugleich werden sie die Königin Gwynofar preisen, die mit großem Mut den Tod ihres Gemahls rächte. Leider war dies nicht das Ende ihrer Drangsal. Denn als Weissagungen sie nach Alkal und zum Thron der Tränen riefen, einem uralten magischen Artefakt, das die mystischen Fähigkeiten der Lyr-Geschlechter wecken und zu voller Blüte bringen sollte, da forderten die Götter als Opfer ihr ungeborenes Kind und später ihren geliebten Halbbruder Rhys …
Von der Hexenkönigin Siderea Aminestas werden sie singen, der Geliebten von Magistern und Gemahlin von Königen, die von den Zauberern verlassen wurde, als sie ihnen nicht mehr nützlich sein konnte. Und von dem Seelenfresser-Weibchen, das ihr das Leben rettete, aber die menschliche Seele raubte. Hell loderte die Rache in ihrem Herzen, als sie auf dem Rücken ihrer Konjunkta mit den bunt schillernden Flügeln aus Sankara floh und nach einem Land suchte, wo sie die Saat für ein neues und schreckliches Reich legen konnte.
Auch von Salvator werden sie singen, dem dritten Sohn des Danton Aurelius, dem Büßermönch, der seinem Gelübde entsagte, um seinem Vater auf dem Thron zu folgen, jedoch wegen seines Glaubens auf die Macht und den Schutz der Magister verzichtete. In vielen Liedern werden sie schildern, wie er von Dämonen
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