Blaulicht
Jahren.«
Lediglich über Sandra Kovács ließ sich dieser Jáchym ein paar Antworten entlocken, die Ivana mit den Worten zusammenfasste: »Er hat sie versorgt mit Stoff, und er hat sie dafür benutzt. Sie verstehen schon. Und auch seine Freunde haben sie benutzt.«
Noch zwanzig Kilometer bis zur deutschen Grenze.
Bor liest Kalz auf einem Ausfahrtsschild, ein Name so langweilig wie das brettebene Land, das sich beiderseits der Autobahn erstreckt. Er kann es sich gerade noch verkneifen, die Tachonadel über die 130-km/h-Marke wandern zu lassen, und als hätte er es vorausgeahnt, erscheint plötzlich im Rückspiegel ein Streifenwagen, der rasch größer wird.
»Diesmal habt ihr Pech gehabt, Jungs«, knurrt Kalz.
Doch schon im nächsten Augenblick setzt sich der grün-weiße Škoda mit der Aufschrift Policie vor ihn und lotst ihn auf den Standstreifen. Zwei baumlange, sonnenbebrillte Polizisten steigen aus und schlendern mit lässigem Sheriffschritt auf ihn zu.
»Dobrý den. Pasport!« sagt der eine, »fünfhundert Kronen!« der andere und zieht einen Block aus der Tasche.
Dem Kalz liegen die Nerven blank.
»Hören Sie! Ich bin exakt hundertdreißig gefahren und keinen Strich mehr!«
Der mit dem Pass in der Hand zuckt nur gelangweilt die Schultern, was offenbar bedeuten soll, dass er kein Deutsch versteht. Und der andere deutet auf die Scheinwerfer und sagt: »In Tschechien immer mit Licht. Ist Vorschrift. Fünfhundert Kronen.«
*
Am Empfang wundert man sich nur kurz, warum die neue Kollegin aus dem Dezernat für Gewaltverbrechen heute so ruppig ist, als sie das Präsidium betritt, genauer gesagt erstürmt, denn wortlos und schweißüberströmt rennt Zoe wie von der Tarantel gestochen vorbei an den Uniformierten hinter der Glasscheibe in Richtung Toiletten. »Oha, scheint ein sehr dringender Fall zu sein!« feixt einer der Beamten. Ist auch tatsächlich dringend, allerdings nicht in der Art, wie die beiden Kollegen vermuten.
Den ganzen, plötzlich schier unendlich langen Weg von Häckels Wohnung in der Schnieglinger Straße zum Präsidium am Jakobsplatz hatte Zoe nur einen einzigen Gedanken: Wasser! Wasser zum Spülen, Wasser zum Waschen, Wasser zum Vergessen. Bei einem Drogeriemarkt in Johannis hatte sie kurz Stopp gemacht, ihr Rennrad nicht einmal abgeschlossen, war nur reingehuscht, um Zahnbürste, Zahncreme und Mundwasser zu kaufen und hatte den Rest der Strecke, so gut wie jede Verkehrsregel ignorierend, in einer rekordverdächtigen Zeit zurückgelegt.
Als sie zehn Minuten später das Büro von Helmut Mattusch betritt, hat sich das Ganzkörperekelgefühl fast vollständig in massive Empörung verwandelt.
»Chef, Sie hätten mich wirklich warnen können!«
Mattusch versucht möglichst erstaunt zu schauen, was ihm aber wegen der heftig zuckenden Mundwinkel nur schlecht gelingt.
»Der Häckeleffekt«, konstatiert er knapp mit Blick auf die brünette Frau ihm gegenüber am Schreibtisch und zu Zoe mit leicht verrutschtem Mitleid im Ton: »Was war es denn?«
Zoe spürt den Ekel wieder bedrohlich um ihre Magengegend kreisen, versucht ihn aber so gut wie möglich zu ignorieren, genauso, wie sie vollkommen unwillkürlich die Besucherin im Büro des Dezernatleiters bisher ignoriert hat, und antwortet mit fester Stimme: »Katzenkot, Herr Mattusch. Ich habe gerösteten Katzenkot getrunken!«
»Au weh«, sagt Mattusch nur und dann: »Darf ich Ihnen Frau Dr. Halbritter vorstellen?«
*
»In Ihrem Büro ist es um diese Zeit deutlich angenehmer als drüben beim Chef«, registriert Dr. Halbritter erfreut und setzt sich pustend auf Kalz’ momentan verwaisten Bürostuhl.
Die Neue gefällt ihr, Mattusch hatte sie sehr treffend als patent und aufgeweckt geschildert und die Zeugenprotokolle, die sie verfasst hatte, wiesen nicht nur auf große fachliche Sorgfalt hin, sondern auch auf ein gutes Einfühlungsvermögen.
»Mattusch sagte mir, Sie hätten ein Psychologiestudium begonnen. Warum haben Sie es abgebrochen?«
Zoe zieht die Schultern hoch und schüttelt leicht den Kopf. »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Vielleicht wollte ich den Menschen einfach auf eine praktischere Art helfen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Das verstehe ich sehr gut, und ich muss Ihnen gestehen, dass genau dies der Grund dafür gewesen ist, weshalb ich mich noch einmal in Richtung Forensik weitergebildet habe. Sie wissen ja, dass man mich als Gutachterin hinzugezogen hat?«
Zoe nickt.
»Mich würde als
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