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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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zurechtgeschnitten.
     
    *
     
    Zoe hatte auf die Frage, ob sie Dr. Häckel kenne, nur mit einem »bedauere, nein« geantwortet, woraufhin die Squaw erwiderte, dass das mit dem Bedauern so ein Sache sei, die sie später vielleicht revidieren würde, wenn sie den Gerichtsmediziner erst einmal getroffen habe. Er sei ohne Zweifel eine fachliche Koryphäe, als Mensch aber ein ganz besonderer Fall. Nachdem sie Häckels Privatnummer auf einen Zettel notiert hatte, gab Sabine Hartung Zoe noch eine dringende Warnung mit auf den Weg, die diese mehr als erstaunte: »Was immer Häckel Ihnen anbietet, lehnen Sie ab! Essen Sie nichts bei ihm, trinken Sie nichts bei ihm und lassen Sie sich um Gottes willen nicht auf seine Fragespielchen ein! Glauben Sie mir, Zoe, Ihnen bleibt einiges erspart, wenn Sie meinen Rat beherzigen.« Auch Mattusch, den sie nach dem Gespräch mit der Kriminaltechnikerin noch kurz über ihre Pläne für den kommenden Morgen telefonisch informiert hatte, blieb für eine kurze Weile stumm, um ihr dann mit einem seltsam irritierenden Unterton in der Stimme ein »Na dann mal viel Glück, meine Liebe!« zu wünschen. In der Nacht hatte Zoe dann auch prompt einen Alptraum von einem Wolf im weißen Kittel, der sie mit einem vergifteten Fladenbrot durch die Flure des Polizeipräsidiums verfolgte. Sie war aufgestanden, um ein Glas Wasser zu trinken und hatte sich in der geräumigen WG-Küche köstlich über diesen selten dämlichen Traum amüsiert. Das war exakt sechs Stunden, bevor sie Edgar Häckel kennenlernen sollte.
    Zoe war selbstverständlich wieder mit ihrem Rennrad unterwegs, fuhr die Knauerstraße bis zur Ecke Osiander, bog dort verbotenerweise rechts in die Straße ab und radelte entgegen der Fahrtrichtung bis zur Rothenburger, dort über die beiden Zebrastreifen, vorbei an der orthodoxen griechischen Kirche, vor der wie immer südländisch aussehende Menschen beisammen standen und sich stark gestikulierend unterhielten. Dass der griechische Konditor jetzt so ein tolles Café hat, war neu für sie. Noch bis vor wenigen Jahren gab es nur das kleine Verkaufsgeschäft ein paar Häuser weiter in der Oberen Kanalstraße. An Sonn- und Feiertagen hatte sie mit ihrer Schwester dort gern an einem der Stehtische gestanden, heißen, süßen Kaffee geschlürft und sich durch die gut sortierte Kuchenauswahl probiert. Geradeaus fährt sie unter der DATEV hindurch, anschließend zügig durch die Roon- in die Brückenstraße, vorbei an der   Desi   und dann den Hügel hoch bis zur Johannisstraße, die geradeaus Richtung Kirchenweg zu überqueren wegen der Straßenbahngeleise für Fahrradfahrer nicht ohne Tücken ist. Nachdem sie links in die Poppenreuther eingebogen ist, geht es eigentlich, von ein paar kleinen Schlenkern abgesehen, immer nur noch Richtung Westen, Richtung Ring, Richtung Westfriedhof und Krematorium, Richtung Häckel. Auf dem Klingelschild an der Haustür steht   Dr. med. E. Häckel,   und nachdem sie drei Stockwerke höher noch einmal auf einen Klingelknopf gedrückt hat, steht der Pathologe in persona vor ihr. Er sieht nicht aus wie der Wolf in ihrem Traum, und er wedelt auch nicht mit einem vergifteten Fladenbrot.
    »Herein, herein, meine liebe Zoe – ich darf doch Zoe zu Ihnen sagen? – ah, ein wunderschöner Name, Zoe heißt doch   das Leben , oder? Hoho, Griechisch, die Sprache der wahren Philosophen. In meinem Metier ist das ungefähr so, wie tief unten im muffigen Erdreich zwischen all den Würmern und Insektenlarven aus heiterem Himmel einem Glühwürmchen zu begegnen, einem Leuchtkäferchen!«
    Der Mann, der vor Zoe durch den dunklen Flur huscht, vorbei an deckenhohen Bücherregalen, in denen sich dicke Wälzer reihen und stapeln, ist schätzungsweise Ende fünfzig, hat strähnige graubraune Haare, trotz seiner Hagerkeit einen kleinen Bierbauch und trägt über gestreiften Bermudashorts und einem verfärbten T-Shirt eine rot-weiße Küchenschürze mit der Aufschrift »Vadders Kniedla sin däi besdn!« Sie hatte sich auf einiges vorbereitet, aber nicht darauf, dass ein   Totendoktor   einen solchen Anblick abgäbe, und schon gar nicht darauf, dass Häckel offenbar in der Lage ist, ihre Gedanken zu lesen.
    »Sie müssen entschuldigen, meine liebe Zoe, die Schürze war nicht meine Wahl – Sie kennen ja die Kollegen, überbieten sich in witzigen Ideen, wenn es darum geht, jemandem ein saublödes Geburtstagsgeschenk anzuhängen. Aber wissen Sie, der Kittel ist mir momentan einfach zu warm,

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