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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Pakete pro Woche erlaube ich nie. Oder möchtest du vielleicht lieber etwas Stärkendes haben? Als ich ein Mädchen war, gab es immer Eaton’s Sirup. Und natürlich Spinat. Ich werde der Köchin sagen, dass sie zum Mittagessen Spinat machen soll.»
    Iris war zu träge – und zu sehr an Mrs Drakes Gedankensprünge gewöhnt –, um zu fragen, warum die Tante bei der Erwähnung von Dr. Gaskell an den Krämerladen gedacht hatte. Hätte sie gefragt, hätte sie allerdings eine prompte Antwort erhalten:
    «Weil der Kaufmann Cranford heißt natürlich, Kindchen.»
    Tante Lucillas Assoziationen kamen ihr selbst immer absolut logisch vor.
    So beschränkte sich Iris darauf, mit dem letzten Rest an Energie, den sie nur aufbringen konnte, zu antworten:
    «Mir geht es ganz gut, Tante Lucilla.»
    «Schwarze Ringe unter den Augen!», sagte Mrs Drake. «Du hast dir zu viel zugemutet.»
    «Aber ich habe doch überhaupt nichts getan – seit Wochen.»
    «Das denkst du, Kindchen. Aber zu viel Tennis ist ungesund für junge Mädchen. Und ich finde, das Klima hier ist sehr anstrengend. Das Haus liegt in einer Senke. Hätte George doch mich gefragt statt dieses Mädchens.»
    «Welches Mädchen?»
    «Diese Miss Lessing, auf die er so viel gibt. Ist ja schön und gut im Büro, wenn du meine Meinung hören willst – aber ein großer Fehler, wenn sich die Grenzen verwischen. Er ermuntert sie doch geradezu, bis sie sich noch selbst für ein Mitglied der Familie hält. Als ob sie dazu noch aufgefordert werden müsste!»
    «Ach, Tante Lucilla, aber es ist doch auch wirklich so. Ruth gehört praktisch zur Familie.»
    Mrs Drake schnupfte.
    «Sie legt es darauf an – das ist vollkommen klar. Armer George. Wirklich ein hilfloses Baby, wenn es um Frauen geht. Aber so geht es nicht, Iris. Wir müssen George vor sich selber schützen. Wenn ich du wäre, würde ich es unmissverständlich klarmachen – so nett diese Miss Lessing auch sein mag –, dass so etwas wie Heirat überhaupt nicht in Frage kommt.»
    Für einen kurzen Augenblick erwachte Iris aus ihrer Lethargie.
    «Nicht im Traum habe ich daran gedacht, dass George Ruth heiraten könnte.»
    «Du siehst nicht, was sich direkt vor deiner Nase abspielt, Kind. Natürlich hast du nicht die Lebenserfahrung wie ich. Diese junge Frau will unter die Haube.»
    Trotz ihrer Stimmung musste Iris lächeln. Tante Lucilla war manchmal zu komisch.
    «Würde das etwas ausmachen?», fragte sie.
    «Etwas ausmachen? Natürlich würde es etwas ausmachen.»
    «Wäre es nicht eigentlich sogar ganz nett?»
    Ihre Tante starrte sie an.
    «Nett für George, meine ich. Du hast vermutlich Recht, was sie angeht. Ich glaube, sie mag ihn. Und sie wäre eine fabelhafte Frau für ihn, die sich wunderbar um ihn kümmern würde.»
    Mrs Drake schnaubte vor Empörung, und über ihr schafsähnliches, gutmütiges Gesicht breitete sich Entrüstung.
    «Um George wird sich schon sehr gut gekümmert, meine ich. Was will er noch mehr? Er bekommt leckere Mahlzeiten, und seine Garderobe wird bestens in Ordnung gehalten. Außerdem ist es sehr nett für ihn, so ein attraktives junges Mädchen wie dich im Haus zu haben, und wenn du eines Tages heiraten solltest, dann hoffe ich doch immer noch in der Lage zu sein, weiter für sein Wohlergehen zu sorgen. Und zwar genauso gut oder sogar besser, als das so ein Bürofräulein je machen könnte. Was weiß sie schon von Haushaltsführung? Zahlen und Bücher und Steno und Tippen – was nützt das einem Mann in seinen eigenen vier Wänden?»
    Iris lächelte und schüttelte den Kopf, aber sie verzichtete auf eine weitere Diskussion. Sie dachte an Ruths seidig glänzenden, dunklen Schopf, an ihren alabasternen Teint und die perfekte Figur, die in den klassisch geschnittenen Kostümen, die sie bevorzugte, so gut zur Geltung kam. Arme Tante Lucilla, mit nichts als Bequemlichkeit und Haushaltsführung im Kopf! Alles, was mit Liebe zu tun hatte, lag für sie so lange zurück, dass sie vermutlich längst vergessen hatte, was es bedeutete – wenn es ihr überhaupt je etwas bedeutet hatte, dachte Iris, als sie sich an ihren angeheirateten Onkel erinnerte.
    Lucilla Drake war Hector Maries Halbschwester gewesen, das Kind aus einer früheren Ehe. Sie hatte wie eine kleine Mutter für den sehr viel jüngeren Bruder gesorgt, als seine eigene Mutter starb. Dann hatte sie ihrem alten Vater den Haushalt geführt und sich unterdes zur alten Jungfer verhärtet. Sie ging auf die vierzig zu, als sie dem Reverend Caleb

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