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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht, wie sie ihre Haare frisiert – lässt ihr Gesicht so streng erscheinen – aber ich denke, sie ist auch eine harte Frau. Und nervös, das außerdem. Heutzutage sind alle so nervös. Zu meiner Zeit wussten die Leute gar nicht, was Nerven sind. Dabei fällt mir ein, mir gefällt nicht, wie George in der letzten Zeit aussieht – ob er wohl die Grippe bekommt? Ein oder zwei Mal dachte ich, er hätte Fieber. Aber vielleicht sind es die Geschäfte. Er sieht mir ganz so aus wie jemand, der sich mit einer Sache herumquält.»
    Iris fröstelte, und Lucilla Drake rief triumphierend:
    «Da siehst du es, ich sagte ja, du hast dich erkältet!»

Zwei
     
    « I ch wünschte, sie wären nie hierher gekommen!»
    Sandra Farraday stieß die Worte mit solch ungewöhnlicher Bitterkeit aus, dass ihr Mann sich überrascht nach ihr umdrehte. Es war, als hätte sie seine eigenen Gedanken in Worte gefasst – ausgerechnet die Gedanken, die er so sorgsam vor ihr zu verbergen versucht hatte. Sandra fühlte also das Gleiche wie er? Auch sie empfand die neuen Nachbarn jenseits des Parks als Störenfriede, die ihnen den Zufluchtsort verdarben und Fairhavens friedlichen Zauber zerstörten. Unwillkürlich verlieh er seiner Überraschung Ausdruck.
    «Ich wusste ja gar nicht, dass du genauso über sie denkst wie ich!»
    Sofort, so schien es ihm jedenfalls, zog sie sich wieder in sich selbst zurück.
    «Nachbarn sind so wichtig auf dem Land. Man kann nur unhöflich oder befreundet sein, es geht nicht wie in London, dass man freundliche Distanz zu Bekannten hält.»
    «Nein», sagte Stephen, «das geht nicht.»
    «Und nun sind wir auch noch verpflichtet, zu dieser unglaublichen Feier zu gehen.»
    Beide schwiegen in Erinnerung an die Szene, die sich beim Mittagessen abgespielt hatte. George Barton war in freundlicher, sogar überschwänglicher Stimmung gewesen, mit einer Art untergründiger Erregung, die ihnen beiden aufgefallen war. Er war in letzter Zeit wirklich sehr seltsam gewesen. In der Zeit vor Rosemarys Tod hatte Stephen keine große Notiz von ihm genommen. George war einfach da gewesen, der Mann im Hintergrund, der gütige, langweilige Ehemann einer jungen und schönen Frau. Dass er George betrog, bereitete Stephen nicht einmal die Spur von Gewissensbissen. George war der Typ, der dafür prädestiniert war, betrogen zu werden. Einige Jährchen älter – und ohne jene Eigenschaften, deren es bedurfte, um eine attraktive und kapriziöse Frau an sich zu binden. War George selber einer Täuschung erlegen? Stephen glaubte es nicht. George Barton, dachte er, kannte Rosemary sehr gut. Er liebte sie, und er schätzte seine Fähigkeiten, eine Frau für sich zu interessieren, bescheiden genug ein.
    Trotzdem musste George gelitten haben…
    Stephen fing an sich zu fragen, was George bei Rosemarys Tod gefühlt haben mochte.
    In den Monaten nach der Tragödie hatten er und Sandra wenig von ihm gesehen. Erst als er plötzlich als nächster Nachbar in Little Priors aufgetaucht war, war er wieder in ihr Leben getreten. Stephen fand, dass er von Anfang an verändert gewirkt hatte.
    Lebhafter, bestimmter. Und – ja, entschieden sonderbar!
    Auch heute war er sonderbar gewesen. Wie er plötzlich mit dieser Einladung herausgeplatzt war! Ein Essen zur Feier von Iris’ achtzehntem Geburtstag. Er hoffte so sehr, dass sie beide, Stephen und Sandra, kommen würden. Stephen und Sandra hätten sich ihrer hier auf dem Land so freundlich angenommen.
    Sandra hatte schnell geantwortet; natürlich, ganz reizend! Verständlicherweise wäre Stephen sehr eingespannt, wenn sie wieder in London wären, und auch sie selbst hätte sehr viele anstrengende Verpflichtungen, aber natürlich hoffe sie, dass sie es irgendwie würden einrichten können.
    «Dann lasst uns jetzt einen Termin verabreden, ja?»
    Georges Gesicht – rosig, lächelnd, drängend.
    «Ich hatte an übernächste Woche gedacht – Mittwoch oder Donnerstag? Donnerstag ist der zweite November. Würde euch das passen? Aber wir können natürlich auch jeden anderen Tag nehmen, an dem ihr beide Zeit habt.»
    Es war die Art von Einladung, die einen festnagelte – mit einem gewissen Mangel an gesellschaftlichem Savoir-faire. Stephen bemerkte, dass Iris Marie errötete und verlegen aussah. Sandra war großartig gewesen. Sie hatte sich lächelnd dem Unvermeidlichen gefügt und gesagt, dass ihnen Donnerstag, der zweite November ausgezeichnet passte.
    Mit plötzlicher Schärfe sprach Stephen seine Gedanken aus:

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