Blausäure
platzte es empört aus ihr heraus. «Stell dir vor, er steigt im Claridge ab, wenn er in London ist.»
George Barton lächelte.
«Äußerst nobel, ja – und durchaus teuer», murmelte er. «Trotzdem, Liebes, niemand weiß so recht etwas über diesen Burschen.»
«Er ist Amerikaner.»
«Kann sein. Dann ist es aber doch merkwürdig, wieso er von seiner eigenen Botschaft nicht mehr gefördert wird. Zu uns nach Hause kommt er nicht so häufig, oder?»
«Nein, und ich verstehe jetzt auch, warum nicht, wenn du so scheußlich über ihn sprichst!»
George schüttelte den Kopf.
«Na, da bin ich wohl ins Fettnäpfchen getreten. Nun ja. Hab dich nur rechtzeitig warnen wollen. Ich werd mal mit Lucilla sprechen.»
«Lucilla!», rief Iris höhnisch.
Besorgt fragte George: «Ist alles in Ordnung? Ich meine, sorgt Lucilla richtig für dich? Amüsierst du dich, gehst du genug aus?»
«Tja, sie arbeitet fleißig daran…»
«Musst es mir sonst nur sagen, das weißt du. Wir können uns auch jemand anderen nehmen. Eine jüngere, modernere Frau. Du sollst dich wohl fühlen, mein Kind, und Spaß haben.»
«Das hab ich doch, George, wirklich.»
«Also gut», sagte er schwerfällig. «Ich bin in diesen Dingen nicht sehr geschickt. Bin’s nie gewesen. Aber sieh zu, dass du alles kriegst, was du haben willst. Brauchst nicht auf den Penny zu achten!»
Typisch George! Freundlich, ungelenk, plump.
Er hielt sein Versprechen, oder besser gesagt, er machte seine Drohung wahr und sprach Mrs Drake auf Anthony Browne an. Aber wie es das Schicksal so wollte, war der Moment ungünstig gewählt, um Lucillas volle Aufmerksamkeit zu ergattern.
Sie hatte soeben ein Telegramm von ihrem ungeratenen Sohn erhalten, der ihr Ein und Alles war und der sich nur allzu gut darauf verstand, ihre mütterlichen Gefühle in seinen eigenen finanziellen Vorteil umzumünzen.
« Bitte sofort zweihundert Pfund schicken. Geht um Leben und Tod. Verzweifelt – Victor. »
«Victor ist so ein anständiger Mensch. Er weiß ja, wie ich mich einschränken muss, und er fragt wirklich nur im äußersten Notfall. Er hat mich nie ausgenutzt. Ich hab nur immer solche Angst, dass er sich was antun könnte.»
«Der doch nicht», sagte George Barton trocken.
«Du kennst ihn ja gar nicht. Ich als seine Mutter weiß doch, was für ein Mensch mein eigener Sohn ist. Ich würde mir niemals verzeihen, wenn ich seiner Bitte nicht folgen würde. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, wenn ich meine Aktien verkaufe.»
George seufzte.
«Hör zu, Lucilla. Ich kann meine Geschäftspartner in Rio bitten, mal für uns zu ventilieren, in was für einer Bredouille Victor steckt. Aber ich rate dir, ihn ruhig in seinem eigenen Saft schmoren zu lassen. Aus dem wird nie was, wenn du ihm immer aus der Klemme hilfst.»
«Du bist so hart, George. Der arme Junge hat immer Pech gehabt – »
George behielt seine Meinung zu diesem Punkt für sich. Es hatte keinen Zweck, mit Frauen zu streiten. So sagte er nur:
«Ich setze Ruth sofort darauf an. Morgen wissen wir mehr.»
Lucilla war ein bisschen besänftigt. Die zweihundert Pfund wurden sodann auf fünfzig heruntergehandelt, aber Lucilla bestand darauf, dass dieser Betrag sofort überwiesen wurde.
Wie Iris wusste, zahlte George das Geld aus eigener Tasche. Lucilla gegenüber tat er allerdings so, als ob er ihre Aktien verkaufe. Iris bewunderte ihn sehr für seine Großzügigkeit und sagte ihm das. Seine Antwort war schlicht.
«Ein schwarzes Schaf gibt’s in jeder Familie – das is’ meine Meinung. Immer gibt’s irgendeinen, der den anderen lebenslänglich auf der Tasche liegt. Für Victor wird auch immer ein anderer blechen.»
«Aber das musst nicht du sein. Schließlich gehört er ja nicht zu deiner Familie.»
«Rosemarys Familie ist meine Familie.»
«Ach George, du bist wirklich ein Schatz. Aber kann ich es nicht übernehmen? Du sagst doch immer, ich schwimme in Geld.»
Er lachte.
«Nicht bevor du einundzwanzig bist, junge Frau. Und wenn du klug bist, hältst du dich auch dann weiter schön zurück. Aber lass dir gesagt sein: Wenn dir so ein Typ damit kommt, dass er mit allem Schluss machen will, falls er nicht sofort ein paar hundert Pfund bekommt, dann tun’s zwanzig für gewöhnlich auch… Ich würde sogar sagen, ein Zehner reicht völlig! Du kannst eine Mutter nicht daran hindern, sich ausbeuten zu lassen, aber den Betrag, den kannst du reduzieren. Denk dran! Victor Drake bringt sich nicht um, der nicht! Diese
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