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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Von Anfang an in diesem Fall – andauernd ist Victors Name gefallen. Er war immer in Sicht – eine schattenhafte, nicht fassbare, teuflische Figur.»
    «Aber Victor ist in Argentinien! Er ist schon seit über einem Jahr in Südamerika.»
    «Wirklich? Wir kommen jetzt zu dem Punkt, der angeblich den Knackpunkt jeder Geschichte bildet: ‹Mädchen trifft Jungen!› Mit der ersten Begegnung von Victor und Ruth Lessing nahm diese spezielle Geschichte ihren Lauf. Er bekam Macht über sie. Ich denke, sie muss sich ziemlich heftig in ihn verknallt haben. Diese ruhigen, nüchternen und gesetzestreuen Frauen sind oft diejenigen, die auf das schlimmste Pack hereinfallen.
    Du brauchst nicht lange nachzudenken, um festzustellen, dass alles, was wir über Victors Aufenthalt in Südamerika wissen, rein auf Ruths Aussage beruht. Nichts davon ist je verifiziert worden, denn es war nie ein Thema! Ruth sagte vor Rosemarys Tod, dass sie Victor auf der San Cristobal verabschiedet hätte! Ruth schlug an Georges Todestag vor, mit Buenos Aires zu telefonieren – und später schmiss sie die Telefonistin hinaus, die vielleicht unwissentlich hätte verraten können, dass sie nichts dergleichen unternahm.
    Natürlich war es jetzt leicht, die Dinge zu überprüfen! Victor Drake erreichte Buenos Aires vor einem Jahr mit einem Schiff, das erst einen Tag nach Rosemarys Tod von England abfuhr. Ogilvie in Buenos Aires hat am Tag, als George starb, kein Telefonat mit Ruth über Victor Drake geführt. Victor Drake hingegen verließ Buenos Aires vor einigen Wochen und fuhr nach New York. Leichte Sache für ihn, vorher zu arrangieren, dass an einem bestimmten Tag ein Telegramm in seinem Namen aufgegeben wird – eins von seinen berühmten Betteltelegrammen, das nun beweisen sollte, dass er tausende von Meilen entfernt war. Während er in Wahrheit – »
    «Ja, Anthony?»
    «Während er in Wahrheit», sagte Anthony, der sich mit immensem Vergnügen dem Höhepunkt seiner Erzählung näherte, «am Nachbartisch im Luxembourg saß mit einer gar nicht so dummen Blondine!»
    «Doch nicht dieser grässlich aussehende Mann?»
    «Eine gelbe, fleckige Hautfarbe und blutunterlaufene Augen kann man sich leicht zulegen, und sie verändern einen Mann sehr. Tatsächlich war ich von unserer ganzen Runde der Einzige – Ruth Lessing nicht mitgezählt –, der Victor Drake je gesehen hatte – und ich hatte ihn nicht unter seinem richtigen Namen gekannt! Außerdem saß ich mit dem Rücken zu ihm. Allerdings meinte ich draußen in der Halle beim Hereinkommen einen Mann wieder erkannt zu haben, den ich während meiner Zeit im Gefängnis gekannt hatte – Monkey Coleman. Aber da ich jetzt ein hochanständiges Leben führte, war ich nicht allzu sehr darauf erpicht, dass er mich erkannte. Nicht einen Moment lang habe ich den Verdacht gehabt, dass Monkey Coleman etwas mit den Verbrechen zu tun haben könnte – geschweige denn, dass er und Victor Drake eine Person waren.»
    «Aber ich verstehe nicht, wie er es getan hat?»
    Colonel Race nahm den Faden auf.
    «Die leichteste Sache von der Welt! Während des Varieteprogramms ging er zum Telefonieren in die Halle, wobei er an unserem Tisch vorbeikam. Drake hat als Schauspieler gearbeitet und – was noch wichtiger ist – als Kellner. Sich als Pedro Morales zurechtzumachen und dessen Rolle zu spielen war ein Kinderspiel für einen Schauspieler, aber um sich so gewandt um den Tisch herum zu bewegen, mit der ganzen Haltung eines Kellners aufzutreten und Champagner nachzuschenken, dazu bedurfte es der Kenntnisse und Technik eines Mannes, der wirklich ein Kellner gewesen war. Eine tollpatschige Bewegung oder Handlung hätte Ihre Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt, aber da Sie davon ausgingen, dass es der Kellner war, hat niemand von Ihnen ihn wahrgenommen oder auch nur gesehen. Sie sahen der Vorstellung zu und nahmen nicht die geringste Notiz von diesem Teil des zum Restaurant gehörenden Mobiliars – dem Kellner!»
    «Und Ruth?», fragte Iris zögernd.
    «Es war natürlich Ruth, die das Zyankalipapiertütchen in deine Handtasche steckte», erklärte Anthony. «Vermutlich zu Beginn des Abends in der Garderobe. Dieselbe Methode, die sie schon im Jahr zuvor praktiziert hatte – mit Rosemary.»
    «Ich habe mich immer gewundert», sagte Iris, «dass George Ruth nichts von diesen Briefen erzählt hatte. Er hat sie doch sonst bei allem und jedem zu Rate gezogen.»
    Anthony lachte kurz auf.
    «Natürlich hat er ihr davon erzählt – als

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