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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Anthony stieß ihn mit den Füßen zur Seite. Der Spalt unter der Tür war ziemlich groß – irgendwann, so folgerte er, hatte man ihn ausgesägt, um einen Teppich unter der Tür zu verlegen, anstatt der gebeizten Dielen.
    Er bückte sich und sah durchs Schlüsselloch, konnte aber nichts erkennen. Plötzlich jedoch hob er den Kopf und schnupperte. Dann legte er sich flach auf den Boden und presste seine Nase gegen den Spalt unter der Tür.
    Mit einem Sprung war er wieder auf den Beinen und rief:
    «Kemp!»
    Der Chief Inspector gab keine Antwort. Anthony rief noch einmal.
    Es war jedoch Colonel Race, der die Treppen hochgelaufen kam. Anthony ließ ihm keine Zeit, etwas zu sagen.
    «Gas – da strömt Gas aus!», rief er. «Wir müssen die Tür aufbrechen!»
    Race hatte eine kräftige Statur. Er und Anthony machten kurzen Prozess mit dem Hindernis. Mit lautem Splittern und Krachen gab das Schloss nach.
    Sie wichen für einen Moment zurück, und Race sagte:
    «Sie liegt drüben beim Kamin. Ich stürze rein und schlage das Fenster ein. Sie holen sie!»
    Iris lag neben dem Gasofen – Mund und Nase dicht an die weit geöffnete Düse gepresst.
    Ein oder zwei Minuten später legten ein heftig nach Luft schnappender Anthony und ein nicht minder würgender Race das bewusstlose Mädchen auf dem Treppenabsatz unter dem offenen Korridorfenster ab.
    Race sagte:
    «Ich kümmere mich um sie. Sie holen einen Arzt! Schnell!»
    Anthony raste die Treppen hinunter.
    «Keine Angst!», rief Race ihm hinterher. «Sie wird es schaffen. Wir waren rechtzeitig da!»
    Unten in der Halle wählte Anthony eine Nummer und bemühte sich, in die Muschel zu sprechen, wobei ihn Lucilla Drakes unaufhörliche Ausrufe im Hintergrund allerdings behinderten.
    Endlich drehte er sich mit einem Seufzer der Erleichterung um.
    «Hab ihn erwischt. Er wohnt auf der anderen Seite des Platzes. Er wird in wenigen Minuten hier sein.»
    «– aber ich muss doch wissen, was passiert ist! Ist Iris krank?»
    Es war ein letztes Wehklagen von Lucilla.
    «Sie war in ihrem Zimmer», sagte Anthony. «Tür verschlossen. Ihr Kopf im Gasofen und das Gas voll aufgedreht.»
    «Iris?»
    Mrs Drake stieß einen schrillen Schrei aus.
    «Iris hat Selbstmord begangen? Ich kann es nicht glauben! Ich glaube es nicht!»
    Auf Anthonys Gesicht erschien der Schatten seines üblichen Grinsens.
    «Sie brauchen es auch nicht zu glauben», sagte er. «Es ist nämlich nicht wahr.»

Vierzehn
     
    « U nd jetzt, bitte, Tony, erzählst du mir die ganze Geschichte?»
    Iris lag auf einem Sofa. Draußen vor den Fenstern von Little Priors gab eine kräftige Novembersonne eine tapfere Vorstellung.
    Anthony blickte zu Colonel Race hinüber, der auf der Fensterbank saß, und grinste verbindlich:
    «Ich gebe gern zu, Iris, dass ich auf diesen Moment gewartet habe. Wenn ich nicht bald jemandem erklären kann, wie schlau ich gewesen bin, muss ich platzen. Es wird bei diesem Bericht keine falsche Bescheidenheit geben. Ich werde schamlos mein eigenes Loblied singen, mit angemessenen Pausen, in denen du ‹Anthony, wie klug du bist!› ausrufen darfst oder: ‹Tony, wie fabelhaft!›, oder etwas Ähnliches. Ähm-ähm! Die Vorstellung beginnt. Es geht los.
    Die Geschichte sah im Ganzen ziemlich einfach aus. Ich meine, es sah aus wie ein klarer Fall von Ursache und Wirkung. Rosemarys Tod, zum damaligen Zeitpunkt als Selbstmord akzeptiert, war kein Selbstmord. George schöpfte Verdacht, begann Nachforschungen anzustellen, bei denen er vermutlich der Wahrheit schon recht nahe kam, und bevor er den Schuldigen entlarven konnte, wurde er selbst ermordet. Die logische Abfolge, wenn ich es so nennen darf, scheint vollkommen klar.
    Aber fast von Anfang an hatten wir es mit einigen offensichtlichen Widersprüchen zu tun. Wie zum Beispiel: a) George konnte nicht vergiftet worden sein; b) George war vergiftet worden. Und: a) Niemand berührte Georges Glas; b) jemand hat sich an Georges Glas zu schaffen gemacht.
    Dabei habe ich etwas sehr Bedeutsames übersehen: den verschiedenen Gebrauch des besitzanzeigenden Genitivs. Georges Ohr ist ohne Zweifel Georges Ohr, denn es sitzt fest an seinem Kopf und kann nicht ohne operativen Eingriff entfernt werden! Aber wenn ich von Georges Uhr spreche, meine ich lediglich die Uhr, die er trägt – es mag sich die Frage stellen, ob es tatsächlich seine Uhr ist oder bloß eine, die ihm vielleicht jemand geliehen hat. Und wenn es um Georges Glas geht oder um seine Teetasse, dann wird mir

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