Bleakhouse
schenkte ich der Sache natürlich große Beachtung, denn ich weiß, daß ihr Urteil, ganz abgesehen von seinen natürlichen Vorzügen, den seltenen Vorteil gehabt hat, von zwei so ausgezeichneten – ich möchte sogar sagen, berühmten – Männern der Öffentlichkeit, wie Kapitän Swosser von der Königlichen Marine und Professor Dingo waren, gebildet zu werden. Kurz, mein Urteil deckt sich vollständig mit dem Mrs. Badgers.«
»Es war eine von Kapitän Swossers Maximen«, nahm Mrs. Badger wieder das Wort, »daß – in seiner bildlichen Seemannssprache ausgedrückt –, wenn man schon Pech heiß mache, man es nicht genug heiß machen könne, und wenn man eine Planke scheuere, man sie scheuern solle, als ob der Klabautermann hinter einem stünde. Es scheint mir, als ob sich dieser Grundsatz ebenso auf den medizinischen wie auf den nautischen Beruf anwenden läßt.«
– »Auf alle Berufsarten!« bestätigte Mr. Badger. »Es war prächtig ausgedrückt von Kapitän Swosser. Wirklich bewundernswert ausgedrückt.« –
»Die Leute warfen, als wir uns nach unsrer Heirat im nördlichen Devonshire aufhielten, Professor Dingo vor, er verunstalte Häuser und andere Gebäude dadurch, daß er mit seinem kleinen geologischen Hammer Stücke davon losschlüge. Aber der Professor erwiderte, er kenne kein Gebäude außer den Tempel der Wissenschaft. Das Prinzip ist ganz dasselbe, glaube ich.«
»Ganz dasselbe«, stimmte Mr. Badger bei. »Sehr schön ausgedrückt. Der Professor gebrauchte dieselben Worte, Miß Summerson, in seiner letzten Krankheit, als er in seiner Fieberphantasie darauf bestand, seinen kleinen Hammer unter dem Kopfkissen zu behalten und an den Gesichtern der Umstehenden herumzuklopfen. Ja, die alles beherrschende Leidenschaft!«
Obgleich Mr. und Mrs. Badger uns ihre Meinung weniger umständlich hätten mitteilen können, fühlten wir doch beide die Uneigennützigkeit ihres Urteils und seine Richtigkeit. Wir beschlossen, Mr. Jarndyce, ehe wir nicht mit Richard gesprochen, nichts zu sagen, und da dieser uns am nächsten Abend besuchen sollte, wollten wir die Angelegenheit erst ernst mit ihm durchnehmen.
So ließ ich ihn denn, als er gekommen war, eine Weile mit Ada allein und fand sie dann, wie ich vorausgesehen, mit allem, was er sagte, einverstanden.
»Nun, was machen Ihre Fortschritte, Richard?« fragte ich. Ich saß wie gewöhnlich an seiner Seite, denn er behandelte mich ganz wie eine Schwester.
»Oh, es geht so ziemlich«, antwortete er.
»Besser kann es doch nicht sein, Esther, nicht wahr!« rief mein Liebling triumphierend.
Ich versuchte sie mit meinem weisesten Gesicht anzusehen, aber natürlich gelang es mir nicht.
»So ziemlich?« wiederholte ich.
»Ja, so ziemlich. Es ist ein wenig Hundetrab und schlafmützenhaft, aber schließlich grade so gut wie irgend etwas anderes.«
»Aber, lieber Richard!« wendete ich ein.
»Nun, und?«
»Grade so gut wie irgend etwas anderes!?«
»Ist denn etwas Schlimmes dabei, Mütterchen?« sagte Ada und sah mich an ihm vorbei zuversichtlich an. »Wenn es so gut wie irgend etwas anderes ist, so ist es immerhin doch gut, oder nicht?«
»Ja, ja. Das meine ich«, entgegnete Richard sorglos und schüttelte sich das Haar aus der Stirn. »Schließlich ist es ja nur eine Art Prüfungszeit, bis unser Prozeß... Ach, richtig, ich vergaß, ich soll ja nicht von dem Prozeß sprechen. Es ist ja ein verbotenes Thema! Also, es ist alles ganz in Ordnung. Reden wir vielleicht von etwas anderem.«
Ada hätte es auch gern getan, überzeugt, daß die Sache zufriedenstellend erledigt sei, aber ich hielt es denn doch nicht für angezeigt, auf diesem Punkte stehen zu bleiben, und fing daher wieder an:
»Aber Richard und du, liebe Ada, ihr müßt doch bedenken, wie wichtig das für euch beide ist. Es ist doch Ehrensache Ihrem Vetter gegenüber, Richard, daß Sie die Sache mit rückhaltlosem Ernst auffassen. Ich dächte, wir sollten das wirklich gründlich durchsprechen, Ada. Es könnte sonst bald vielleicht zu spät sein.«
»Gewiß müssen wir es durchsprechen«, sagte Ada. »Aber ich glaube, Richard hat recht.«
– Was nützte es mir, eine weise Miene aufzusetzen, wo sie so hübsch und reizend war und ihn so lieb hatte! –
»Mr. und Mrs. Badger waren gestern hier, Richard«, sagte ich, »und schienen der Ansicht zuzuneigen, Sie fänden an der Chirurgie keinen besondern Geschmack.«
»So, sagten sie das? Oh! Das ändert die Sache allerdings. Ich hatte keine Ahnung
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