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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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konnte, Irrlichtern nachzujagen. Indessen hielt ich es immerhin noch für das beste, ihn in allem, was eine anhaltende Beschäftigung nach sich ziehen konnte, zu ermutigen, und riet ihm nur, genau mit sich zu Rate zu gehen, ob er sich nun wirklich ganz und gar entschlossen habe.
    »Meine liebe Minerva, Sie selbst können nicht beständiger sein, als ich es bin. Ich habe mich geirrt – wir alle sind Irrtümern unterworfen –, aber ein Mal und nicht wieder, und ich will ein Jurist werden, wie er nicht alle Tage vorkommt. Das heißt«, sagte Richard und verfiel wieder in seine Zweifel, »wenn es überhaupt der Mühe wert ist, soviel Aufhebens von einer so geringfügigen Sache zu machen.«
    Das veranlaßte uns, noch einmal mit großem Ernst zu wiederholen, was wir bereits gesagt hatten, und wir kamen zu demselben Schlusse wie vorhin. Wir rieten Richard so angelegentlich, ohne die Sache nur einen Augenblick aufzuschieben, frei und offen mit Mr. Jarndyce zu reden, daß er, von Natur jeder Heimlichkeit sowieso abhold, ihn sogleich aufsuchte, uns mitnahm und ihm alles eingestand.
    »Rick«, sagte mein Vormund, nachdem er ihn aufmerksam angehört hatte, »wir können in Ehren zurücktreten und wollen es tun. Aber wir müssen uns hüten, unsrer Kusine wegen, Rick, daß wir nicht noch mehr solcher Irrtümer begehen. Was das Jus betrifft, wollen wir uns lieber vorerst zu einer gewissen Probezeit entschließen. Sehen wir uns erst den Graben an, ehe wir springen, und lassen wir uns Zeit.«
    Richards Energie war so ungeduldiger und überstürzter Art, daß er am liebsten sofort auf Mr. Kenges Kanzlei gegangen wäre und sich bei ihm hätte einschreiben lassen. Er machte jedoch gute Miene zu den Vorsichtsmaßregeln, von deren Notwendigkeit wir ihn überzeugten, und saß unter uns in heiterster Laune und plauderte, als ob sein Lebensziel von Kindheit an der Beruf gewesen wäre, dem er sich jetzt widmen wollte. Mein Vormund war sehr freundlich und herzlich mit ihm, wenn auch ein wenig ernst. So ernst, daß Ada, als Richard Abschied genommen hatte und wir schlafen gehen wollten, zu ihm sagte:
    »Vetter John, ich hoffe doch nicht, daß du jetzt schlechter von Richard denkst?«
    »Nein, liebe Ada.«
    »Es ist doch so natürlich, daß sich Richard in einem so schwierigen Fall geirrt hat. Es ist das doch nichts Ungewöhnliches.«
    »Nein, nein, meine Liebe. Mach kein betrübtes Gesicht.«
    »Oh, ich bin durchaus nicht betrübt, Vetter John«, sagte Ada, lächelte heiter und legte die Hand auf seine Schulter, »aber ich würde es sein, wenn du schlecht von Richard dächtest.«
    »Liebe Ada«, sagte Mr. Jarndyce, »ich würde es nur tun, wenn du jemals durch seine Schuld unglücklich würdest oder auch nur littest. Und selbst dann würde ich mir selbst mehr zürnen als dem armen Richard, weil ich euch ja zusammengebracht habe. Aber still, alles das hat ja nichts auf sich. Er hat Zeit genug und freie Bahn vor sich. Ich schlechter von ihm denken? Ich gewiß nicht, meine liebe Kusine. Und du denkst auch nicht schlechter von ihm, ich wette.«
    »Nein, gewiß nicht, Vetter John, ich könnte überhaupt nie etwas Böses von Richard denken, und wenn es die ganze Welt täte. Ich könnte und würde dann sogar noch besser von ihm denken.«
    Ruhig und ehrlich sagte sie das, jetzt beide Hände auf seine Schulter gelegt, und sah ihm dabei ins Gesicht, gläubig und offen.
    Mein Vormund betrachtete sie nachdenklich.
    »Ich glaube, es muß irgendwo geschrieben stehen, daß die Tugenden der Mütter an den Kindern heimgesucht werden sollen wie die Sünden der Väter. Gute Nacht, mein Rosenknöspchen. Gute Nacht, Mütterchen. Gute Ruh! Angenehme Träume!«
    Das war das erste Mal, daß ich einen Schatten den wohlwollenden Ausdruck seiner Augen trüben sah, als er Ada nachblickte. Ich erinnerte mich noch recht gut des Blickes, mit dem er sie und Richard betrachtet hatte, als sie beim Schein des Kaminfeuers gesungen, und es war nur sehr wenig Zeit vergangen, seit wir sie aus dem sonnenerleuchteten Zimmer in den Schatten hatten treten sehen, aber sein Ausdruck war ein andrer jetzt, und selbst sein stummer vertrauensvoller Blick auf mich war nicht ganz so hoffnungsfreudig und sicher wie früher.
    Ada lobte an diesem Abend Richard mehr als je zuvor. Sie ging mit einem kleinen Armband, das er ihr geschenkt hatte, zu Bett. Ich glaube, sie träumte von ihm, als ich sie auf die Wange küßte, während sie schlummerte, und ihr ruhiges und glückliches Gesicht

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