Bleakhouse
davon, daß sie es glaubten, und hätte ihnen nicht gern eine Enttäuschung oder eine Unannehmlichkeit bereitet. Die Sache ist freilich so. Der Beruf interessiert mich nicht besonders. Aber das macht weiter nichts. Er ist so gut wie jeder andre.«
»Da hörst du es, Ada«, sagte ich.
»Tatsache ist«, fuhr Richard halb nachdenklich, halb scherzend fort, »er liegt mir nicht besonders. Er gefällt mir nicht sehr. Und ich muß zuviel von Mrs. Bayham Badgers erstem und zweitem Gatten hören.«
»Das ist doch nur natürlich!« rief Ada erfreut aus. »Ganz dasselbe sagten wir gestern auch, Esther.«
»Dann ist er so einförmig«, fuhr Richard fort. »Das Heute gleicht dem Gestern, und das Morgen ist wie das Heute.«
»Aber ich fürchte«, sagte ich, »das läßt sich überall einwenden – sogar gegen das Leben selbst, außer unter ganz abnormen Verhältnissen.«
»Meinen Sie wirklich?« fragte Richard, immer noch nachdenklich. »Vielleicht! Hm! Übrigens, da sehen Sie selbst«, setzte er hinzu und wurde plötzlich wieder heiter. »Wir gehen im Kreise herum auf das los, was ich eben sagte. Es ist ebensogut wie irgend etwas anderes. Reden wir doch nicht mehr davon.«
Selbst Ada, und wenn sie schon unschuldig und vertrauensvoll gewesen an jenem denkwürdigen Novembernebeltag, wieviel mehr war das jetzt der Fall, wo ich ihr unschuldiges und vertrauendes Herz kannte, selbst Ada schüttelte jetzt den Kopf und machte ein ernstes Gesicht. Ich hielt es daher für eine günstige Gelegenheit, Richard anzudeuten, daß, wenn er auch manchmal leichtsinnig gegen sich selbst sei, er doch gewiß nicht leichtsinnig gegen Ada handeln wolle und daß es von seiner Seite eine Art Liebespflicht sein müsse, den Schritt, der auf ihr ganzes Leben Einfluß haben würde, nicht so leicht zu nehmen. Das stimmte ihn fast ernst.
»Mütterchen Hubbard, das ist es ja eben. Ich habe auch schon oft darüber nachgedacht und mich über mich selbst geärgert, daß ich es so ernst nehmen wollte und, ich weiß nicht warum, nie recht konnte. Ich weiß nicht, wie es zugeht, ich scheine immer Abwechslung zu brauchen. Selbst Sie können sich keinen Begriff machen, wie sehr ich Ada liebe, aber in allen andern Dingen fällt mir Beständigkeit so schwer. Es ist so aufreibend und frißt soviel Zeit«, sagte Richard mit verdrießlicher Miene.
»Das kommt wahrscheinlich daher, daß Sie keinen Gefallen an dem Beruf haben.«
»Der arme Junge!« sagte Ada. »Ich kann mich wahrhaftig nicht darüber wundern.«
Nein. Es half nicht das mindeste, daß ich versuchte, weise dreinzuschauen. Ich machte noch einen Versuch, aber wie konnte es mir gelingen, solange Ada ihre Hände auf seiner Schulter faltete und er ihr in die zärtlichen blauen Augen schaute.
»Du siehst, mein Schatz«, sagte Richard und ließ ihre goldnen Locken durch seine Finger gleiten, »ich habe mich vielleicht ein wenig übereilt und meine Neigungen nicht gehörig erkannt. Ich konnte es vorher wirklich nicht wissen. Die Frage ist nur, ob es dafür steht, alles ungeschehen zu machen. Das kommt mir vor, wie einen großen Lärm wegen einer Kleinigkeit zu machen.«
»Lieber Richard«, sagte ich, »wie können Sie das eine Kleinigkeit nennen?«
»Ich meine es nicht in dem Sinne. Ich meine nur, es ist insofern nichts Besonderes, weil ich möglicherweise sowieso niemals darauf angewiesen sein werde.«
Sowohl Ada wie ich hoben hervor, daß es nicht nur der Mühe wert wäre, die Angelegenheit ungeschehen zu machen, sondern daß das geradezu eine Notwendigkeit sei. Dann fragte ich Richard, ob er schon an einen andern passenden Beruf gedacht habe.
»Da treffen Sie den rechten Punkt, Mütterchen«, sagte Richard. »Ich habe daran gedacht. Ich glaube, die Jurisprudenz läge mir besser.«
»Die Jurisprudenz?!« wiederholte Ada in einem Ton, als ob sie sich schon vor dem bloßen Namen fürchtete.
»Wenn ich zu Kenge in die Kanzlei käme und dort eingeschrieben würde, so hätte ich Gelegenheit, den – hm – den verbotenen Gegenstand ins Auge zu fassen, zu studieren, ihn gründlich kennenzulernen und mich zu vergewissern, daß er ordnungsgemäß geführt und nicht vernachlässigt wird. Ich wäre imstande, Adas und meine Interessen, die sich ja decken, zu verfolgen, und würde mich mit Blackstone und all den andern Schmökern mit der größten Leidenschaft herumbalgen.«
Ich war durchaus nicht fest überzeugt, daß dies der Fall sein werde, und sah, wie betrübt Ada darüber war, daß er es nicht lassen
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