Bleakhouse
Prince ganz von Dankbarkeit überwältigt waren, als ob er ihnen ein unermeßliches Opfer gebracht hätte, während er sich doch in Wirklichkeit nur für den Rest seines Lebens bei ihnen einquartierte.
»Was mich betrifft, meine Kinder, so naht für mich des Lebens gelber Herbst, und unmöglich ist es, zu sagen, wie lange die letzten schwachen Spuren ritterlichen Anstandes diesem Zeitalter der Weberei und Spinnerei erhalten bleiben. Aber solange das noch der Fall ist, will ich meine Pflicht gegen die Gesellschaft erfüllen und mich wie gewöhnlich in der Stadt zeigen. Ich habe nur wenige und einfache Bedürfnisse. Mein kleines Appartement, meine paar Toilettebedürfnisse, ein frugales Frühstück und ein einfaches Diner genügen. Ich überlasse es eurer Kindesliebe, für diese Bedürfnisse zu sorgen, und komme für alle übrigen auf.«
Prince und Caddy waren abermals von seiner Hochherzigkeit überwältigt.
»Mein Sohn, was die kleinen Einzelheiten betrifft, die dir mangeln, Einzelheiten in Allüren, die den Menschen angeboren sind und sich wohl ausbilden, aber nie erschaffen lassen, kannst du stets auf mich bauen. Ich habe seit den Tagen seiner Königlichen Hoheit des Prinzregenten getreulich auf meinem Posten ausgeharrt und werde ihn auch jetzt nicht verlassen. Nein, mein Sohn! Wenn du jemals deines Vaters bescheidne Stellung mit einem Gefühl des Stolzes betrachtet hast, so kannst du dich auch jetzt darauf verlassen, daß er nie etwas tun wird, was sie beflecken könnte. Was dich selbst betrifft, Prince, so ist dein Charakter anders geartet. Wir können nicht alle gleich sein, noch wäre das auch wünschenswert, und du mußt arbeiten, fleißig sein, Geld verdienen und deinen Kundenkreis so sehr vergrößern wie nur möglich.«
»Darauf kannst du dich verlassen, lieber Vater. Ich will es mit ganzem Herzen tun«, beteuerte Prince.
»Ich zweifle nicht daran. Deine Eigenschaften sind nicht glänzend, lieber Sohn, aber solid und nützlich. Und euch beiden, liebe Kinder, möchte ich nur im Geiste meiner seligen Gattin, auf deren Lebenspfad ich das Glück hatte, glaube ich, wenigstens einige Lichtstrahlen zu werfen, euch möchte ich zurufen: Sorget für das Etablissement, sorgt für meine einfachen Bedürfnisse, und Gott sei mit euch!«
Mr. Turveydrop wurde aus Anlaß des feierlichen Augenblicks dann wieder so galant, daß ich Caddy sagte, wir müßten wirklich auf der Stelle nach Thavies-Inn gehen, wenn wir überhaupt heute noch hinkommen wollten. So entfernten wir uns denn nach einem sehr zärtlichen Abschied Caddys von ihrem Bräutigam, und sie war auf dem Nachhauseweg so glücklich und so voll des Lobes über den alten Mr. Turveydrop, daß ich um keinen Preis ein Wort des Tadels über ihn über die Lippen gebracht hätte.
In den Fenstern des Hauses in Thavies-Inn hingen Vermietungsanzeigen, und es sah schmutziger, düsterer und unheimlicher aus als je. Der Name des armen Mr. Jellyby hatte erst vor ein paar Tagen in der Konkursliste gestanden, und er hatte sich im Speisezimmer mit zwei Herren und einem Haufen von blauen Dokumentenbeuteln, Rechnungsbüchern und Papieren eingeschlossen und machte die verzweifeltsten Anstrengungen, Einsicht in seine Angelegenheiten zu gewinnen. Sie schienen sich ganz und gar seinem Verständnis zu entziehen, denn als Caddy mich irrtümlich in das Speisezimmer führte und wir ihn dort, die Brille auf der Nase, hoffnungslos in einer Ecke neben dem großen Eßtisch von zwei Herrn blockiert fanden, schien er alles aufgegeben zu haben und sprach- und gefühllos geworden zu sein.
Als wir die Treppe hinauf zu Mrs. Jellybys Zimmer gingen – die Kinder kreischten unisono in der Küche, und kein Dienstbote ließ sich sehen –, trafen wir sie mit einer umfangreichen Korrespondenz beschäftigt. Sie öffnete, las und sortierte Briefe, und ganze Haufen zerrissener Kuverts bedeckten den Boden. Sie war so davon in Anspruch genommen, daß sie mich anfangs nicht gleich erkannte, obgleich sie mich mit ihrem sonderbaren in die Ferne gerichteten Blick ihrer hellen Augen lange ansah.
»Ah, Miß Summerson«, sagte sie endlich. »Ich dachte gerade an etwas anderes. Ich hoffe, Sie befinden sich wohl. Es freut mich, Sie zu sehen. Mr. Jarndyce und Miß Clare befinden sich doch ebenfalls wohl?«
Ich bejahte und erkundigte mich nach Mr. Jellybys Befinden.
»Nun, es geht ihm nicht allzu gut«, gab Mrs. Jellyby mit Seelenruhe zur Antwort. »Er hat Unglück im Geschäft gehabt und ist etwas
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