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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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angedeutet hat, daß er ernstlich geneigt sei, sich für sie zu interessieren.«
    »Ma, ich habe Mr. Gusher von jeher gehaßt und verabscheut«, schluchzte Caddy.
    »Caddy, Caddy!« Mrs. Jellyby öffnete mit der größten Gemütsruhe wieder einen Brief. »Ich zweifle daran nicht. Wie könnte es auch anders sein, da dir die Neigungen, von denen er überfließt, gänzlich abgehen. Ich wiederhole, Miß Summerson, diese kleinlichen Einzelheiten würden mich tief bekümmern, wenn meine öffentlichen Pflichten nicht mein Lieblingskind wären und mich in umfassendster Weise in Anspruch nähmen. Aber kann ich die Folgen eines törichten Streichs von Seiten Caddys, von der ich übrigens nichts andres erwarten durfte, wie einen Nebel zwischen mich und den großen afrikanischen Kontinent treten lassen? Nein, nein!« wiederholte Mrs. Jellyby mit ruhiger klarer Stimme und lächelte liebenswürdig, Briefe aufbrechend und sortierend. »Nein, wahrhaftig nicht!«
    Ich war so wenig gefaßt auf eine so außerordentlich kaltblütige Aufnahme der Angelegenheit, obgleich ich es mir hätte denken können, daß ich keine Worte fand. Caddy schien es ebenso zu gehen. Mrs. Jellyby fuhr fort, Briefe zu öffnen und zu sortieren, und wiederholte in freundlichem Ton und mit dem ruhigsten Lächeln von der Welt von Zeit zu Zeit: »Nein, wahrhaftig nicht!«
    »Ich hoffe, Ma«, schluchzte endlich die arme Caddy, »du bist nicht böse auf mich?«
    »Ach Caddy, du bist wirklich abgeschmackt, daß du noch so fragen kannst, wo du doch eben von mir gehört hast, wie sehr ich anderweitig beschäftigt bin.«
    »Und ich hoffe, Ma, du gibst uns deine Zustimmung und deinen Segen.«
    »Du hast sehr töricht gehandelt, Kind, daß du einen solchen Schritt tatest, und bist aus der Art geschlagen, sonst hättest du dich dem allgemein menschlichen Interesse gewidmet. Aber der Schritt ist einmal geschehen, und ich habe einen Knaben aufgenommen und will kein Wort weiter darüber verlieren. Ich bitte dich, Caddy«, sagte Mrs. Jellyby, denn Caddy küßte sie, »störe mich nicht bei meiner Arbeit und laß mich diesen Stoß Briefe erledigen, ehe die Nachmittagspost kommt.«
    Ich konnte nichts Besseres tun als mich verabschieden, blieb aber noch einen Augenblick stehen, und Caddy sagte:
    »Du wirst doch nichts dagegen haben, daß ich ihn dir vorstelle, Ma?«
    »O Gott, o Gott, Caddy!« rief Mrs. Jellyby, die bereits wieder im Geiste in weiter Ferne weilte. »Fängst du schon wieder an? – Wen willst du vorstellen?«
    »Ihn, Ma.«
    »Caddy, Caddy!« sagte Mrs. Jellyby, solcher Nebensächlichkeiten sichtlich müde, »dann mußt du ihn an einem Abend mitbringen, an dem keine Sitzung des Haupt-, des Neben- oder des Abzweigungsvereins angesetzt ist. Du mußt den Besuch nach den Ansprüchen einrichten, die man an meine Zeit stellt. Meine liebe Miß Summerson, es war sehr freundlich von Ihnen, daß Sie mit hierhergekommen sind, diesem albernen Gänschen herauszuhelfen. Leben Sie wohl! Wenn ich Ihnen sage, daß ich heute morgen achtundfünfzig Briefe von Fabrikarbeiterfamilien empfangen habe, die alle wünschen, die Einzelheiten der Eingeborenen- und Kaffeekulturfrage kennenzulernen, so muß ich Sie gewiß nicht erst um Verzeihung bitten, daß ich so wenig Zeit habe.«
    Caddy war sehr betrübt, als wir die Treppe hinabgingen, und fing an meiner Brust wieder zu schluchzen an. Scheltworte wären ihr lieber gewesen als eine so gleichgültige Behandlung, sagte sie und vertraute mir an, sie sei so arm an Ausstattung, daß sie noch gar nicht wüßte, wie sie jemals würde anständig getraut werden können. Ich konnte mich über all das natürlich nicht wundern, und es gelang mir, sie nach und nach zu trösten, indem ich von den vielen Dingen sprach, die sie für ihren armen Vater und für Peepy tun könnte, wenn sie erst einmal eine eigne Wirtschaft habe würde. Dann gingen wir hinunter in die feuchte dunkle Küche, wo Peepy mit seinen kleinen Brüdern und Schwestern auf dem Steinboden herumkrabbelte. Wir spielten so lustig mit ihnen, daß ich, um nicht ganz in Stücke gerissen zu werden, wieder zum Märchenerzählen meine Zuflucht nehmen mußte.
    Von Zeit zu Zeit hörte ich im Zimmer über uns laute Stimmen und heftiges Herumwerfen von Stühlen. Dies Geräusch ließ mich vermuten, daß der arme Mr. Jellyby jedes Mal vom Speisetisch aufsprang und zum Fenster rannte, mit der Absicht, sich hinauszustürzen, so oft er einen neuen Versuch machte, Einsicht in seine Angelegenheiten zu

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