Bleakhouse
Meinungsaustausch, den wir dir mitteilen müssen, denn um dich handelt es sich. Es ist dir gewiß bange vor dem, was jetzt kommen soll?«
»Gewiß nicht, Vetter John«, entgegnete Ada lächelnd, »da es doch von dir kommt.«
»Ich danke dir, liebes Kind. Schenke mir eine Minute Aufmerksamkeit, ohne Rick anzusehen, und du, Mütterchen, tust desgleichen.«
»Mein liebes Kind«, er legte seine Hand auf die Adas auf der Armlehne des Stuhls, »erinnerst du dich noch des Gesprächs unter uns vieren? Als das Mütterchen mir etwas von einer gewissen kleinen Liebesgeschichte erzählte?«
»Es ist nicht gut möglich, daß Richard oder ich jemals vergessen könnten, wie gut du an jenem Tage zu uns warst, Vetter John.«
»Ich kann es nie vergessen«, rief Richard.
»Und ich auch nicht«, sagte Ada.
»So ist das, was ich zu sagen habe, desto leichter, und desto leichter werden wir uns verständigen.« Das Gesicht meines Vormunds strahlte vor Herzensgüte. »Ada, mein liebes Kind, du mußt wissen, daß Rick jetzt zum letzten Mal seinen Beruf gewählt hat. Das ganze Vermögen, das er zu bekommen hat, wird vollständig verbraucht sein, wenn er equipiert ist. Er hat damit alle seine Hilfsquellen erschöpft und ist von jetzt an an den Baum gebunden, den er gepflanzt hat.«
»Es ist ganz richtig, daß ich meine gegenwärtigen Hilfsquellen erschöpft habe, und ich bin ganz zufrieden, es zu wissen. Aber was ich zu bekommen habe«, sagte Richard, »ist nicht alles, was ich besitze.«
»Rick, Rick!« rief mein Vormund mit einer ganz veränderten Stimme und fuhr mit plötzlichem Entsetzen mit den Händen empor, als wollte er sich die Ohren zuhalten. »Um Gottes willen, erhoffe oder erwarte nichts von diesem Familienfluch! Was du immer auf dieser Seite des Grabes tun magst, niemals schenke diesem furchtbaren Phantom, das uns so viele Jahre verfolgt hat, auch nur einen einzigen sehnsüchtigen Blick. Viel besser zu borgen, betteln zu gehen oder zu sterben.«
Der leidenschaftliche Ton in seiner Warnung erschreckte uns alle. Richard biß sich in die Lippen und hielt den Atem an und sah mich an, als ob er wüßte, daß auch ich fühlte, wie sehr er der Warnung bedürfte.
»Meine liebe Ada«, sagte Mr. Jarndyce und gewann seinen fröhlichen Gleichmut wieder, »das sind starke Worte, aber ich lebe in Bleakhaus und habe hier manches mitansehen müssen. Genug davon. Alles, was Richard zur Begründung einer Laufbahn im Leben besitzt, steht jetzt auf dem Spiel. Ich empfehle ihm und dir, seinet- und deinetwillen, von uns mit der Gewißheit zu scheiden, daß euch keinerlei Verpflichtung mehr aneinander bindet. Ich muß noch weiter gehen. Ich will offen gegen euch beide sein. Ihr sollt mir rückhaltlos vertrauen, und ich will auch in euch rückhaltloses Vertrauen setzen. Ich bitte euch für jetzt, jedes andre Band als das eurer Verwandtschaft zu vergessen.«
»Sag doch lieber gleich heraus, daß du kein Vertrauen mehr zu mir hast und Ada rätst, deinem Beispiel zu folgen.«
»Ich kann das nicht sagen, weil ich es nicht meine.«
»Aber du denkst dir, ich hätte schlecht angefangen! Ich habe es, das weiß ich.«
»Wie ich hoffte, daß du anfangen und fortfahren mögest, sagte ich dir bereits damals, als wir zuletzt von diesen Dingen sprachen«, erwiderte Mr. Jarndyce in herzlichem und ermutigendem Tone. »Du hast diesen Anfang noch nicht gemacht; aber jedes Ding braucht seine Zeit, und deine ist noch nicht vorbei, oder vielmehr, sie ist noch gar nicht gekommen. Schlage eine neue Seite auf und beginne. Ihr beide seid noch sehr jung und seid Verwandte. Bis jetzt seid ihr euch weiter nichts. Was weiter kommen soll, muß eine Frucht deiner eignen Anstrengungen sein, Rick.«
»Du bist sehr hart gegen mich, Vetter, härter, als ich von dir erwartet hätte.«
»Mein lieber Junge, ich bin noch härter gegen mich selbst, wenn ich etwas tue, was dir Schmerz bereitet. Du hast das Heilmittel selbst in deiner Hand. Ada, es ist besser für ihn, daß er frei ist und daß du nicht mit ihm von Jugend auf verlobt bist. Rick, es ist besser für sie, viel besser. Du bist es ihr schuldig. Kommt! Ihr werdet doch beide tun, was das Beste für den andern ist!«
»Warum ist es so am besten?« wendete Richard hastig ein. »Als wir dir unser Herz ausschütteten, war es nicht so. Du sprachst damals anders.«
»Seitdem habe ich Erfahrungen gemacht. Ich tadle dich durchaus nicht, Rick, aber ich habe Erfahrungen gemacht.«
»Du meinst, in bezug auf mich?«
»Hm! Ja.
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