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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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hier ein großes Vergnügen machen, Sie kennenzulernen, wie sie mir sagt. Bitte nehmen Sie Platz.«
    Der Mann setzte sich, ein wenig verlegen wegen meiner Anwesenheit, wie mir schien, und fuhr sich mit seiner schweren sonnenverbrannten Hand wiederholt über seine Oberlippe, ohne mich anzusehen.
    »Sie sind so pünktlich wie die Sonne, Mr. George.«
    »Militärisch, Sir, Sache der Gewohnheit. Eine reine Angewohnheit bei mir, Sir, kein Geschäftseifer.«
    »Aber Sie haben ein großes Etablissement, wie ich höre.«
    »Es ist nicht so schlimm, Sir. Nur einen Scheibenstand. Es ist nicht viel dahinter.«
    »Und wie macht sich Mr. Carstone als Schütze und als Fechter?«
    »Recht gut, Sir«, antwortete Mr. George und kreuzte die Arme auf seiner breiten Brust, was ihm ein riesenhaftes Aussehen verlieh. »Wenn Mr. Carstone sich der Sache mit ganzer Seele widmen wollte, könnte er sehr Tüchtiges leisten.«
    »Aber das ist wohl nicht der Fall?«
    »Anfangs tat er es, Sir, aber dann ließ er nach. Er ist nicht mehr recht bei der Sache. Vielleicht hat er etwas anderes auf dem Herzen, eine junge Dame vielleicht.« Seine glänzenden dunkeln Augen blickten mich jetzt zum ersten Mal an.
    »Mich hat er nicht auf dem Herzen, das versichere ich Ihnen, Mr. George«, sagte ich lachend, »wenn Sie mich auch im Verdacht zu haben scheinen.«
    Das sonnengebräunte Gesicht des Kavalleristen errötete ein wenig, und er machte mir eine militärische Verbeugung. »Nichts für ungut, Miß. Ich bin einer von den Ungehobelten.«
    »Aber es ist doch nur ein Kompliment, Mr. George.«
    Wenn er früher kaum aufgeblickt hatte, so sah er mich jetzt drei oder vier Mal rasch hintereinander aufmerksam an.
    »Ich bitte um Verzeihung, Sir«, sagte er mit einer gewissen männlichen Art von Schüchternheit zu meinem Vormund. »Aber Sie erwiesen mir die Ehre, mir den Namen der jungen Dame zu nennen...«
    »Miß Summerson.«
    »Miß Summerson!« wiederholte er und sah mich wieder an.
    »Kennen Sie den Namen?« fragte ich.
    »Nein, Miß. Soviel ich weiß, habe ich ihn nie gehört. Ich glaube nur, Sie irgendwo gesehen zu haben.«
    »Das kann nicht gut sein«, entgegnete ich, blickte von meiner Arbeit auf und sah ihn an. Es lag soviel Treuherzigkeit in seiner Rede und seinem Benehmen, daß mir die Gelegenheit ganz lieb war. »Ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesichter.«
    »Ich auch, Miß.«
    Er wandte mir seine dunkeln Augen und seine breite Stirn zu. »Hm! Wie komme ich nur auf den Gedanken?«
    Da sein braunes Gesicht wieder errötete und er sich vergeblich bemühte, in seiner Erinnerung zu suchen, entschloß sich mein Vormund, ihm herauszuhelfen.
    »Haben Sie viele Schüler, Mr. George?«
    »Manchmal ja, manchmal nicht, Sir. Meistens sind's recht wenige, um davon zu leben.«
    »Und was für Leute besuchen Ihre Galerie, um sich zu üben?«
    »Leute aller Art, Sir. Hiesige und Fremde. Vom Gentleman herab bis zum Kommis. Sogar Französinnen habe ich schon unterrichtet, und sie haben sich als geschickte Pistolenschützen gezeigt. Natürlich auch eine Menge Verrückte, aber die gehen ja überallhin, wo eine Tür offen steht.«
    »Ich will doch nicht hoffen, daß Leute mit Racheplänen, um Ihre Lektionen mit dem Schießen nach lebendigen Zielscheiben zu beendigen, zu Ihnen kommen?« fragte mein Vormund lächelnd.
    »Das geschieht wohl selten, Sir, ist aber auch schon vorgekommen. Die meisten treiben's bloß der Übung wegen oder aus Langeweile. Sechs von der einen und ein halbes Dutzend von der andern Sorte. Ich bitte um Verzeihung, Sir.« Er setzte sich aufrecht und stützte seine Hände, die Ellbogen nach außen gedreht, auf seine Knie. »Ich glaube, Sie haben einen Kanzleigerichtsprozeß, wenn ich recht gehört habe?«
    »Es tut mir leid, die Frage bejahen zu müssen.«
    »Mich hat auch einer Ihrer Leidensgenossen besucht, Sir.«
    »Partei in einem Prozeß? Wie ging das zu?«
    »Nun. Der Mann war so verfolgt, gepeinigt und gemartert, weil sie ihn von Pontius zu Pilatus und von Pilatus zu Pontius schickten«, sagte Mr. George, »daß er ein wenig verrückt wurde. Ich glaube nicht, daß er auf jemand Bestimmten schießen wollte, aber er war so voll Zorn und Wut manchmal, wenn er kam, daß er für fünfzig Schüsse bezahlte und drauflos feuerte, bis er förmlich glühte. Aber eines Tages, als ich mit ihm allein war und er mir ganz zornig von allem, was ihm Unrechtes geschehen, erzählt hatte, sagte ich zu ihm: 'Wenn dieses Schießen für Sie eine Erleichterung

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