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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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wendeten. »Wollen Sie wieder zu unserm jungen Freund gehen?«
    »Ja.«
    »Nein, wie ich Sie um Ihre Konstitution beneide! Sie machen sich nichts aus solchen Dingen, und Miß Summerson auch nicht. Sie sind immer bereit, irgendwohin zu gehen oder irgend etwas zu tun. Das ist das Wollen! – Ich habe überhaupt kein Wollen – und kein Nichtwollen –, nur ein Nichtkönnen.«
    »Sie können dem Jungen nichts verschreiben, vermute ich?« fragte mein Vormund und sah sich über die Schulter halb ärgerlich nach Mr. Skimpole um. Nur halb ärgerlich, denn er schien ihn niemals als ein zurechnungsfähiges Wesen zu betrachten.
    »Lieber Jarndyce, ich bemerkte eine Flasche kühlender Medizin in seiner Tasche, und er kann nichts Besseres tun, als sie einnehmen. Sie können auch in seiner Schlafstube ein wenig Essig sprengen lassen und das Zimmer mäßig kühl und ihn mäßig warm halten. Aber es wäre eine Anmaßung von mir, einen Rat geben zu wollen, wo Miß Summerson eine solche Detailkenntnis besitzt und eine solche Fähigkeit, sich um jede Kleinigkeit zu kümmern.«
    Wir kehrten wieder in die Vorhalle zurück und setzten Jo auseinander, was wir vorzunehmen gedächten, und Charley machte es ihm dann noch ein Mal klar. Er hörte uns mit schlaffer Teilnahmslosigkeit an und sah müde allen Vorbereitungen zu, als geschähen sie für einen ganz Fremden. Da die Dienerschaft großes Mitleid für seinen jammervollen Zustand an den Tag legte und voll Eifer half, war die Stube über dem Schuppen bald fertig, und ein paar Leute trugen ihn, gut eingehüllt, über den nassen Hof. Sie waren sehr freundlich gegen ihn, munterten ihn auf und nannten ihn »alter Knabe«. Charley leitete das Ganze und war immer unterwegs zwischen Krankenstube und dem Haus mit Stärkungsmitteln und was wir ihm sonst einzugeben wagten. Mein Vormund sah selbst nach ihm, ehe man ihn für die Nacht allein ließ, und berichtete mir, als er in sein Brummstübchen ging, um an das Krankenhaus einen Brief zu schreiben, den ein Bote am nächsten Morgen mit Tagesanbruch besorgen sollte, daß der Patient ruhiger sei und schlafen zu wollen scheine. Sie hätten die Tür von außen verschlossen, im Falle er delirieren sollte, aber alles wäre so eingerichtet, daß er sofort gehört werden würde, wenn er riefe oder sonst Lärm machen sollte.
    Da Ada wegen einer Erkältung das Zimmer hütete, war Mr. Skimpole die ganze Zeit über allein und vertrieb sich die Zeit mit Klavierspielen, mit Bruchstücken von rührenden Liedern, zu denen er, wie wir aus der Ferne hörten, mit großem Ausdruck und Gefühl sang.
    Als wir wieder in den Salon zurückkehrten, sagte er, er wolle uns eine kleine Ballade vorsingen, zu der ihn unser junger Freund »angeregt« habe. Und er sang ein paar Strophen von einem Betteljungen, der
    »Vereinsamt, verwaist, verstoßen, verlassen
durch die Welt sich schleppt, ziellos, durch die Gassen«.
    Ein Lied, das ihn stets zum Weinen brächte, sagte er.
    Er war den ganzen übrigen Abend außerordentlich fröhlich. – Er »zirpe« geradezu, wie er sich lustig ausdrückte, wenn er bedächte, von welch geschäftigen Geistern er umgeben sei. Er trank ein Glas Glühwein auf die »Genesung unsres jungen Freundes« und malte in heitern Farben die Möglichkeit aus, daß es Jo wie Whittington vielleicht bestimmt sein könnte, Lordmayor von London zu werden. Er würde dann gewiß eine Jarndyce-Stiftung und ein Summerson-Armenhaus und eine kleine jährliche Prozession des ganzen Gemeinderats nach St. Albans ins Leben rufen. Er bezweifle nicht, sagte er, daß unser junger Freund in seiner Art ein vortrefflicher Junge sei. Aber seine Art sei nicht Harold Skimpoles Art, und was Harold Skimpole sei, habe Harold Skimpole zu seiner größten Überraschung selbst erst entdeckt, als er zuerst seine eigne Bekanntschaft gemacht habe. Er habe sich mit allen seinen Fehlern ohne Widerspruch hingenommen und es für die gesündeste Philosophie gehalten, sich in die Umstände zu fügen, und er hoffe, wir würden dasselbe tun.
    Charleys letzter Bericht lautete, daß der Knabe sich ruhig verhalte. Ich konnte aus meinem Fenster die Laterne, die sie bei ihm gelassen hatten, brennen sehen und legte mich zu Bett, ganz glücklich bei dem Gedanken, daß der Arme wenigstens ein Obdach habe.
    Noch vor Tagesanbruch war mehr Unruhe und Gerede im Haus als gewöhnlich und weckte mich. Ich zog mich an, blickte zum Fenster hinaus und fragte einen unsrer Leute, ob ein Unglück geschehen sei. Die

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