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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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»Achten Sie nicht auf ihn, Maam. Er wird bald wieder zu sich kommen«, und zu dem Jungen: »Jo, Jo, was ist denn?«
    »I weiß schon, warum s kommen is.«
    »Wer?«
    »Die Dame dorten. I soll mit ihr aufn Friedhof gehn. 's gfallt mir net dorten. Sie könnten mich dorten begrabn.«
    Sein Schüttelfrost kam wieder, und wie er sich an die Wand lehnte, teilte sich sein Zittern der ganzen Hütte mit.
    »Das und ähnliches hat er den ganzen Tag über gesprochen, Maam«, flüsterte mir Jenny zu. »Was machst du denn für Augen! Das ist doch meine Dame, Jo.«
    »Das is sie?« antwortete der Junge zweifelnd und betrachtete mich, wobei er den Arm schützend über seine fiebrigen Augen hielt. »Schaut grad aus wie die andre. S is net der Hut und a net des Kleid, aber anschaun tut s mich wie die andre.«
    Meine kleine Charley, erfahren in Krankheit und Sorge, hatte Hut und Schal abgelegt, ging jetzt still mit einem Stuhl zu ihm hin und hieß ihn sich niedersetzen, wie eine alte Krankenwärterin. Nur hätte eine solche ihm vielleicht nicht so viel Vertrauen eingeflößt wie Charley mit ihrem jugendlichen Gesicht.
    »Hören S«, sagte der Junge. »Is die Dame wirklich net die andre Dame?«
    Charley schüttelte den Kopf und wickelte methodisch seine Lumpen um ihn und hüllte ihn so warm ein wie nur möglich.
    »So. Dann kann sie's wohl net sein.«
    »Ich komme, um zu sehen, ob ich etwas für dich tun kann«, sagte ich. »Was fehlt dir?«
    »Mir is kalt«, antwortete der Knabe heiser, und sein hohler Blick musterte mich ruhelos. »Und dann is mir wieder heiß, und das wechselt so miteinander. Im Kopf is mir so dumm, und i glaub, i werd verrückt. Und dann is mir so trocken, und alle Knochen im Leib tun mir weh.«
    »Seit wann ist er hier?« fragte ich die Frau.
    »Seit heut morgen, Maam. Ich hab ihn in einem Winkel im Dorf gefunden. Ich kenn ihn von London her. Nicht wahr, Jo?«
    »Toms Einöd«, bestätigte er.
    So oft sich seine Aufmerksamkeit oder seine Augen auf etwas richteten, geschah es nur für kurze Zeit. Bald ließ er wieder den Kopf sinken, wiegte ihn schwer hin und her und redete halb wie im Schlaf.
    »Wann ist er von London gekommen?«
    »Gestern«, antwortete der Junge selbst, jetzt ganz rot und fieberheiß. »I geh irgendwohin.«
    »Wohin denn?«
    »Irgendwohin«, wiederholte er lauter. »Marsch vorwärts! ham s mir öfter als je zuvor gsagt, seitdem mir die, was die andre is, den Sovring geben hat. Mrs. Sangsby hetzts gegen mi auf-, und ich hab doch nix angestellt, und sie beobachtens und hetzens mi alle. Alle ohne Ausnahm. Von der Stund an, wo ich net aufsteh, bis zu Stund, wo i net schlafn geh. I geh irgendwohin. Dahin geh i. Unten in Toms Einöd hat s zu mir gsagt, daß s von St. Albans kommen is, und so bin i auf d St. Albansstraßn gangen. S is so gut wie alles andre.«
    Bei den letzten Worten wendete er sich an Charley.
    »Was soll man mit ihm anfangen?« fragte ich und nahm die Frau beiseite. »In diesem Zustand kann er seine Reise unmöglich fortsetzen, selbst wenn er ein Ziel hätte.«
    »Ich weiß nicht mehr als die Toten, Maam«, entgegnete sie und sah ihn mitleidig an. »Vielleicht wissen es die Toten besser, wenn sie's uns nur sagen könnten. Ich hab ihn aus Barmherzigkeit den Tag über hier behalten und ihm eine Suppe und Arznei gegeben, und Liz ist fort, um zu versuchen, ob ihn nicht jemand zu sich nehmen will. Hier liegt mein kleiner Liebling im Bett, es ist ihr Kind, aber ich nenne es das meine. Aber ich kann den Jungen nicht lang hier behalten, denn wenn mein Mann nach Hause kommt und findet ihn hier, wird er ihn hinauswerfen und könnte ihm was antun. Horch! Da kommt Liz zurück.«
    Die andre Frau hastete bei diesen Worten herein, und der Junge stand mit dem dunkeln Bewußtsein, gehen zu müssen, auf. Wann das kleine Kind aufwachte, wann und wieso Charley es aus dem Bette nahm, um, es beruhigend, auf und ab zu gehen, weiß ich nicht, aber sie tat das alles in einer ruhigen mütterlichen Weise, als ob sie wieder mit Tom und Emma in Mrs. Blinders Dachstübchen sei.
    Liz war da und dort gewesen, von einem zum andern gewiesen worden und kam unverrichteter Dinge wieder. Anfangs war es zu zeitig für die Aufnahme des Knaben in das Armenspital gewesen und dann wieder zu spät. Ein Beamter schickte sie zu einem andern, und der wieder zum ersten zurück, und so war es reihum gegangen, als wären beide nur wegen ihrer Geschicklichkeit, mit der sie ihren Obliegenheiten auszuweichen verstanden, anstatt ihnen

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