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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Freude trübte sich ihre Miene, denn sie las das Geheimnis auf meinem Gesicht. Sie stand aus dem Lehnstuhl auf, fiel mir um den Hals und sagte:
    »O Miß, daran bin ich schuld. Ich schuld!« Und noch vieles mehr aus der Fülle ihres dankbaren Herzens heraus.
    »Nun höre, Charley«, sagte ich, nachdem ich sie eine Weile hatte gewähren lassen, »wenn ich krank werde, setze ich mein größtes Vertrauen von allen Menschen auf dich. Und wenn du nicht so ruhig und gefaßt für mich bist, wie du es immer für dich selbst warst, kannst du mir nicht beistehen, Charley!«
    »Lassen Sie mich nur noch ein wenig mich ausweinen, Miß«, jammerte Charley. »O, mein Gott, o Gott, o Gott! Ich werde mich gleich wieder beruhigt haben, o Gott!« An den innigen Ton, wie sie das sagte, während sie an meinem Halse hing, kann ich nie ohne Tränen zurückdenken.
    So ließ ich sie sich denn ein wenig ausweinen, und es tat uns beiden wohl.
    »Verlassen Sie sich auf mich, Miß!« sagte Charley dann ruhig. »Ich höre jetzt genau zu.«
    »Vorderhand ist es sehr wenig, Charley. Ich werde dem Doktor heute abend sagen, daß ich mich nicht recht wohl fühle und daß du meine Wärterin sein sollst.«
    Dafür dankte mir das arme Kind mit ganzem Herzen.
    »Und morgen in der Frühe, wenn du Miß Ada im Garten hörst und ich nicht mehr imstande sein sollte, wie gewöhnlich an den Fenstervorhang zu kommen, so gehe du hin, Charley, und sag, ich schliefe noch und wäre etwas erschöpft. Die ganze Zeit über bleibst du im Zimmer, wie ich darin geblieben bin, Charley, und läßt niemanden herein.«
    Charley versprach es mir, und ich legte mich nieder, denn der Kopf war mir sehr schwer. Ich sprach an diesem Abend den Arzt und bat ihn darum, nichts im Hause von meiner Erkrankung verlauten zu lassen. Ich habe eine sehr undeutliche Erinnerung von dem Hinüberschwimmen dieser Nacht in den Tag und dem des Tags wieder in die Nacht. Am ersten Morgen war ich gerade noch knapp imstande, an das Fenster zu gehen und mit meinem Liebling zu sprechen.
    Am zweiten Morgen hörte ich ihre Stimme draußen und bat Charley mit Anstrengung, denn das Reden wurde mir schwer, ihr zu sagen, ich schliefe. Ich hörte sie leise antworten: »Störe sie nicht, Charley, um alles in der Welt nicht!«
    »Und wie sieht mein Herzenskind aus, Charley?«
    »Enttäuscht, Miß«, berichtete Charley, durch den Vorhang lugend.
    »Aber ich weiß, sie ist heute morgen wieder sehr schön.«
    »Ja, das ist sie, Miß. Sie sieht immer noch zum Fenster herauf.«
    Mit ihren klaren blauen Augen, Gott segne sie!
    Ich rief Charley zu mir und gab ihr einen letzten Auftrag:
    »Jetzt höre, Charley! Wenn sie erfährt, daß ich krank bin, wird sie versuchen, in das Zimmer zu dringen. Laß sie nicht herein, Charley, wenn du mich wirklich lieb hast, Charley. Wenn sie auch nur ein einziges Mal hereinkommt, um mich anzusehen, während ich hier liege, ist es mein Tod.«
    »Ich werde es nie tun! Niemals!«
    »Ich vertraue dir, meine gute Charley. Und jetzt komm her und setz dich eine Weile neben mich und gib mir die Hand, denn ich kann dich nicht sehen, Charley. Ich bin blind!«

32. Kapitel
Um die bestimmte Stunde
    Es ist Nacht in Lincoln's-Inn – diesem Tale der Verworrenheit und Ruhelosigkeit. Fette Kerzen werden in den Kanzleien ausgeblasen, Schreiber sind die wackelnden hölzernen Treppen hinuntergepoltert und haben sich zerstreut. Die Glocke, die um neun Uhr geläutet wird, hat ihr zweckloses klägliches Gewimmer eingestellt. Die Pforten sind verschlossen, und der nächtliche Türhüter, ein würdevoller Pförtner mit übermenschlicher Schlafkraft, hält in seiner Loge Wacht. Aus Reihen von Treppenfenstern schimmern trübe Lampen gleich den Augen der Gerechtigkeit, diesem schielenden, kurzsichtigen Argus mit einer unergründlichen Tasche und Augen außen drauf, zu den Sternen empor. In schmutzigen Fenstern der obern Stockwerke verraten neblige kleine Strahlenflecken von Kerzenlicht hie und da, daß ein listiger Paragraphenfuchs und Lehensrechtskundiger an Maschen aus Pergament arbeitet, um in dem Netz arglose Grundbesitzer einzufangen. Bienen gleich hocken diese Wohltäter der Menschheit über ihrer Beschäftigung, trotzdem die Geschäftsstunden längst vorüber sind, auf daß sie sich Rechenschaft geben über den gut angewendeten verflossnen Tag.
    In dem benachbarten Cook's Court, wo der Lordkanzler des Hadern- und Flaschenlandes wohnt, ist ein gewisser Hang nach Bier und Abendbrot unverkennbar. Mrs. Piper

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