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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Dienstbote war im Hause, der nicht mit größter Bereitwilligkeit und ohne die mindeste Furcht zu jeder Stunde des Tags oder der Nacht mir geholfen hätte, aber ich hielt es für das beste, eine einzige sehr gewissenhafte Frau auszuwählen, die Ada nie sehen durfte, wie ich anordnete, und von der ich wußte, daß sie keine Vorsichtsmaßregel außer acht lassen werde. Das ermöglichte mir, daß ich zuweilen in den Garten gehen konnte, um in Gesellschaft meines Vormunds frische Luft zu schöpfen, wenn wir nicht Gefahr liefen, Ada zu begegnen.
    Die arme Charley wurde schwerkrank und schwebte in Lebensgefahr. Eine lange Reihe von Tagen und Nächten lag sie danieder. So geduldig war sie, klagte so wenig und war so sanft und ergeben, daß ich oft, wenn ich bei ihr saß und ihren Kopf auf meinem Arm ruhen ließ, denn das war manchmal das einzige Mittel, sie einschlummern zu machen, unsern Vater im Himmel im stillen bat, mich die Lehre, die mir diese kleine Schwester gab, nicht vergessen zu lassen.
    Viel Sorgen machte mir der Gedanke, daß Charleys hübsches Gesicht entstellt sein würde, wenn sie wieder genesen sollte, aber meistens verdrängte ich die Angst, daß sie in weit größerer Gefahr schwebe. Als es am schlimmsten mit ihr stand und sie von ihren Sorgen um ihre kleinen Geschwister und von dem Krankenbett ihres Vaters phantasierte, kannte sie mich doch immer noch soweit, daß sie ruhiger wurde, wenn ich sie in die Arme nahm, weil nichts andres mehr half. In solchen Stunden pflegte ich mir mit Qual vorzustellen, wie ich jemals den zwei verwaisten Kleinen mitteilen sollte, daß das Kind, das von seinem eignen treuen Herzen gelernt hatte, ihnen in ihrer Not Mutter zu sein, gestorben sei.
    In Stunden, wo das Fieber nachließ, kannte Charley mich recht gut und sprach mit mir, ließ Tom und Emma vielmals grüßen und sagte, sie sei überzeugt, Tom werde zu einem tüchtigen Mann heranwachsen. In solchen Augenblicken erzählte sie mir von dem, was sie ihrem Vater vorgelesen hatte, um ihn zu trösten: Von dem Jüngling, den sie hinaus zum Begräbnis trugen und der der einzige Sohn seiner verwitweten Mutter gewesen. Und von der Tochter des Hauptmanns, die die Hand der Barmherzigkeit auf dem Totenbett wieder zum Leben erweckte. – Sie sagte mir, sie sei niedergekniet, als ihr Vater gestorben war, und habe in ihrem ersten Schmerz gebetet, auch er möge auferweckt und seinen armen Kindern zurückgegeben werden, und daß sie glaube, auch Tom werde dasselbe Gebet für sie zum Himmel schicken, falls sie nie wieder genesen und sterben sollte. Und dann müßte ich Tom auslegen, wie diese Menschen in den alten Zeiten wieder zum irdischen Leben erweckt worden wären, auf daß wir ein Pfand der ewigen Fortdauer im Himmel hätten.
    In keinem ihrer Krankheitsstadien verlor sie auch nur ein einziges Mal ihre sanften liebenswürdigen Eigenschaften.
    Charley starb nicht. Langsam, langsam überwand sie die Krisis, und dann fing es an, besser mit ihr zu werden. Die Furcht, ihr Gesicht könne entstellt sein, wich bald von mir, und auch hierin ging es immer besser, und ich sah sie wieder zu ihrem früheren kindlichen Ebenbilde werden.
    Es war ein großer Morgen, als ich Ada, die unten im Garten stand, alles das berichten konnte. Und ein großer Abend, als Charley und ich endlich zusammen im anstoßenden Zimmer Tee tranken. Aber an demselben Abend fühlte ich, daß ein Fieber über mich kam. Zum Glück für uns beide fiel es mir erst, nachdem Charley wieder ruhig im Bett lag, ein, ich könnte mich von ihr angesteckt haben. Während des Tees hatte ich meinen Zustand noch unterdrücken können, aber damit war es jetzt bereits vorbei, und ich begriff, daß ich in Charleys Fußstapfen trat.
    Ich war jedoch noch kräftig genug, zeitig früh aufzustehen und den fröhlichen Gruß meines Herzenslieblings aus dem Garten erwidern und mit ihr so lange wie gewöhnlich sprechen zu können. Aber ich war nicht ganz frei von dem Eindruck, während der Nacht fiebernd und außer mir in den beiden Zimmern herumgegangen zu sein. Und manchmal wurde es mir wirr im Kopf, und ich hatte ein seltsames Gefühl der Vollheit, so, als ob ich viel größer sei als sonst.
    Des Abends wurde es mir soviel schlimmer, daß ich beschloß, Charley vorzubereiten, und ihr sagte:
    »Du fühlst dich jetzt wieder viel kräftiger, Charley, nicht wahr?«
    »O, gewiß.«
    »Kräftig genug, um ein Geheimnis zu hören, Charley?«
    »O, kräftig genug, Miß!« rief sie. Aber mitten in ihrer

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