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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Es ist auch noch eine innere, mit grünem Tuch beschlagne Tür vorhanden, aber da die Nacht warm ist, hat er sie beim Heraufkommen nicht zugemacht. Die Augen, die jetzt den seinen begegnen, sehen durch die Glasscheibe von dem Korridor draußen herein. Er kennt sie gut. Seit langen Jahren ist ihm das Blut nicht so heiß ins Gesicht geschossen wie jetzt, wo er Lady Dedlock erkennt.
    Er tritt in das Zimmer, und auch sie kommt herein und schließt beide Türen hinter sich. Eine wilde Verstörung – ist es Furcht oder Zorn? –hegt in ihren Augen, aber in ihrer Haltung und auch sonst sieht sie genau so aus wie vor zwei Stunden im Salon.
    Ist es jetzt Furcht oder Zorn? Er kann es nicht sicher wissen. Beide können so blasse und gespannte Mienen erzeugen.
    »Lady Dedlock?«
    Sie spricht anfangs nicht, selbst nicht, nachdem sie sich langsam in den Lehnstuhl am Tisch hat sinken lassen.
    Sie sehen einander an wie zwei Bilder.
    »Warum haben Sie meine Geschichte so vielen Personen erzählt?«
    »Lady Dedlock, ich mußte Sie wissen lassen, daß ich sie kenne.«
    »Seit wie lange kennen Sie sie?«
    »Geargwöhnt habe ich sie schon seit langer Zeit... Vollkommen kennengelernt erst seit kurzem.«
    »Seit Monaten?«
    »Seit Tagen.«
    Er steht vor ihr, die eine Hand auf einer Stuhllehne und die andre in seiner altmodischen Weste und dem Busenstreif. Genau so hat er schon tausendmal, seit sie sich verheiratete, vor ihr gestanden. Dieselbe förmliche Höflichkeit, dieselbe gefaßte Ehrerbietung, die geradesogut Mißtrauen sein könnte – der ganze Mann, derselbe dunkle Gegenstand wie je –, immer in derselben Distanz, die nie etwas hat verringern können.
    »Ist das, was Sie von dem armen Mädchen erzählten, wahr?«
    Er neigt ein wenig den Kopf und streckt ihn vor, als verstünde er die Frage nicht ganz.
    »Was Sie vorhin erzählten. Ist es wahr? Kennen ihre Freunde meine Geschichte ebenfalls ? Ist sie schon Stadtgespräch ? Steht sie an den Wänden geschrieben und schreit man sie auf der Straße aus?«
    – Also Zorn und Furcht und Scham. Alle drei kämpfen miteinander. Welche Kraft dieses Weib doch besitzt, ihre rasenden Leidenschaften niederzuhalten! Diese Gedanken schießen Mr. Tulkinghorn durch den Kopf, während er Mylady anblickt, seine struppigen grauen Augenbrauen ein Haar breit mehr zusammengezogen als gewöhnlich. –
    »Nein, Lady Dedlock. Es war nur eine Hypothese, die ich anführte, weil Sir Leicester einen so hochmütigen Ton anschlug, wahrscheinlich, ohne es selbst zu wissen. Aber es würde wirklich so kommen, wenn sie wüßten, was wir wissen.«
    »Also wissen sie es noch nicht?«
    »Nein.«
    »Kann ich das arme Mädchen vor Leid bewahren, ehe sie es erfahren?«
    »Wahrhaftig, Lady Dedlock«, entgegnet Mr. Tulkinghorn, »darüber kann ich keine genügende Antwort geben.«
    Und er denkt voll Interesse und Neugier, während er den Kampf in ihrem Herzen beobachtet: Macht und Kraft dieser Frau sind erstaunlich.
    »Sir«, sagt sie, für den Augenblick gezwungen, das Zucken ihrer Lippen mit aller Energie zu bekämpfen, um deutlicher sprechen zu können. »Ich will mich klarer ausdrücken. Ich will nicht über die Möglichkeit Ihrer Hypothese streiten. Ich fühlte ihre Wahrheit so stark wie Sie, als ich damals Mr. Rouncewell hier sah. Ich wußte recht gut, daß er es für eine Schmach für das arme Mädchen gehalten hätte, wäre er imstande gewesen, mich so zu sehen, wie ich bin. Aber ich interessiere mich für sie oder, besser gesagt, da ich nicht mehr hierher gehöre, ich interessierte mich für sie. Und wenn Sie soviel Rücksicht auf die Frau nehmen können, die Sie jetzt unter Ihre Füße getreten haben, das im Auge zu behalten, so würden Sie sie dadurch sehr verpflichten.«
    Mr. Tulkinghorn, mit tiefster Aufmerksamkeit zuhörend, lehnt mit einem bescheidnen Achselzucken ab und zieht seine Augenbrauen noch etwas mehr zusammen.
    »Sie haben mich auf meine Bloßstellung vorbereitet, und ich danke Ihnen auch dafür. Verlangen Sie sonst noch etwas von mir? Ist noch eine Schuld von mir zu tilgen, die ich tilgen könnte, oder bin ich imstande, irgendeine Unannehmlichkeit meinem Gatten zu ersparen, indem ich ihn freimache, dadurch, daß ich die Richtigkeit Ihrer Entdeckung schriftlich bestätige? Ich bin bereit und zu diesem Zweck hier, um alles zu schreiben, was Sie diktieren.«
    – Sie würde es wahrhaftig tun, denkt der Advokat, als er sieht, wie sie mit fester Hand die Feder ergreift. –
    »Ich will Sie nicht

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