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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Kälte sie erstarren machte. –
    »Die Erfahrung lehrt mich«, sagt Mr. Tulkinghorn, der unterdessen die Hände in die Tasche gesteckt hat und in seiner geschäftsmäßigen Darlegung des Falles fortfährt wie eine gefühllose Maschine, »meine Erfahrung lehrt mich, Lady Dedlock, daß die meisten Leute, die ich kenne, besser nicht geheiratet hätten. Die Ehe ist der Grund von Dreivierteilen ihrer Sorgen. So dachte ich, als Sir Leicester heiratete, und so habe ich seitdem immer gedacht. Sprechen wir nicht mehr davon. Ich muß mich jetzt von den Umständen leiten lassen. Unterdessen muß ich Sie bitten, zu schweigen, und ich werde es ebenfalls tun.«
    »Ich soll also mein gegenwärtiges Leben hinschleppen und seine Qualen Tag für Tag, solange es Ihnen belieben wird, tragen?« fragt sie und wendet keinen Blick von dem fernen Horizont.
    »Ja, ich fürchte, Lady Dedlock.«
    »Sie meinen, es ist notwendig, daß ich so auf dem Scheiterhaufen festgebunden bleibe.«
    »Ich bin überzeugt, daß das, was ich Ihnen anrate, notwendig ist.«
    »Ich soll also auf dieser bunt aufgeputzten Bühne, auf der ich unter meiner Maske so lange gespielt habe, bleiben, und sie soll unter mir zusammenbrechen, wenn Sie das Signal geben!« sagt sie langsam.
    »Ich werde es nicht tun, ohne Sie vorher zu benachrichtigen, Lady Dedlock. Ich werde keinen Schritt tun, ohne Sie vorher zu warnen.«
    »Und wir sehen uns wie gewöhnlich?«
    »Ganz so wie gewöhnlich, wenn Sie gestatten.«
    – Sie legt ihm ihre Fragen fast geistesabwesend vor, als ob sie sie im Gedächtnis wiederholte oder im Schlaf hersagte. –
    »Und ich muß meine Schuld verbergen, wie ich es so viele Jahre lang getan habe?«
    »Wie Sie es so lange Jahre getan haben. Ich hätte es nicht gern selbst erwähnt, Lady Dedlock, aber ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihr Geheimnis Sie jetzt wohl nicht schwerer bedrücken kann als früher. Ich glaube, besser gesagt, ich weiß, wir haben einander nie ganz getraut.«
    – In derselben erstarrten Weise wie früher steht sie noch eine kleine Weile tief in Gedanken versunken da und sagt:
    »Bleibt heute nacht noch etwas zu besprechen übrig?«
    »Nun«, entgegnet Mr. Tulkinghorn gleichmütig und reibt sich leise die Hände dabei, »ich würde allerdings gern von Ihnen hören, ob Sie meinen Anordnungen beistimmen, Lady Dedlock?«
    »Sie können dessen versichert sein.«
    »Gut. Und ich möchte der Klarheit wegen Sie zum Schluß noch daran erinnern, daß ich einzig und allein Sir Leicesters Gefühle und Ehre und den Ruf der Familie schone. Ich sage das, für den Fall ich bei einer gelegentlichen Mitteilung an Sir Leicester auf die Tatsache wieder zurückkommen müßte. Ich hätte mich glücklich geschätzt, auch auf Lady Dedlock Rücksicht haben nehmen zu können; leider erlaubt es der Fall nicht.«
    »Oh, ich kenne Ihre Pflichttreue, Sir.«
    Bisher ist Mylady, ohne sich zu rühren, in Gedanken versunken dagestanden, aber endlich bewegt sie sich und wendet sich unerschüttert in ihrer natürlichen oder erzwungnen Fassung zum Gehen. Mr. Tulkinghorn öffnet beide Türen genauso, wie er es gestern oder vor zehn Jahren getan hätte, und macht ihr seine altmodische Verbeugung, wie sie hinausgeht. Es ist nicht der Blick wie sonst, den ihm das schöne Gesicht, das jetzt in der Dunkelheit verschwindet, zuwirft, als sie ihm für seine Höflichkeit kaum merklich dankt.
    Die Frau erlegt sich einen ungewöhnlichen Zwang auf, denkt er sich, als er wieder allein ist.
    Er wüßte das noch genauer, wenn er sähe, wie sie in ihren Gemächern verstört, die Hände hinter dem Haupt gefaltet und wie von Schmerz krampfhaft durchzuckt, auf und ab geht; wüßte es noch genauer, wenn er sie sähe, wie sie stundenlang ohne Ermüdung und ohne Rast, verfolgt von den getreuen Schritten auf dem Geisterweg, durch die Zimmer irrt. Aber er schließt das Fenster vor der kalt werdenden Nachtluft, zieht die Vorhänge zu, geht zu Bett und schläft ein. Und wie die Sterne verlöschen und der bleiche Tag in das Turmzimmer lugt und ihn mit seiner greisenhaftesten Miene daliegen findet, da sieht er aus, als hätten der Totengräber und der Spaten schon ihren Auftrag und würden bald zu graben anfangen. Und derselbe blasse Tag sieht zu, wie im Traum Sir Leicester majestätisch dem reuigen Vaterland verzeiht, wie die Vettern verschiedne öffentliche Ämter annehmen, deren Hauptpflichten im Beziehen von Gehalt bestehen, und wie die keusche Volumnia einem häßlichen alten

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