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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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keinen Geschmack bekommt und nicht von ihrer flachsgelben Farbe läßt, einen bedrohlichen Charakter annimmt. Von ähnlicher Seelenverderbnis befallen, bröckeln die Kartoffeln während des Schälens in Stücken von den Gabeln und platzen, wie von inneren Erdbeben aufgerührt, auseinander. Auch die Beine der Hühner sind länger als gerade wünschenswert und stahlhart gepanzert. Mr. Bagnet überwindet schließlich diese Schwierigkeiten siegreich, trägt das Mahl auf, und alle setzen sich zu Tisch, wobei Mrs. Bagnet den Ehrenplatz zugewiesen bekommt.
    Es ist gut für die Alte, daß sie bloß ein Mal im Jahr Geburtstag hat, denn zwei solche Schwelgereien in Geflügel könnten die schwersten Folgen nach sich ziehen. Auch die kleinste Sehne, deren sich das Geflügel erfreut, hat sich in beiden Hühnern übereinstimmend zu der den Gitarresaiten eigentümlichen Form entwickelt. Ihre Flügel und Schenkel haben in Brust und Rumpf knorrig Wurzel geschlagen wie uralte Bäume. Ihre Keulen sind so hart, daß man auf den Gedanken kommen möchte, sie könnten den größten Teil einer langen mühseligen Lebenswanderung mit angestrengten Märschen oder Wettläufen zugebracht haben. Aber für den von diesen kleinen Mängeln nichts ahnenden Mr. Bagnet ist es Herzenssache, daß Mrs. Bagnet eine möglichst große Quantität von den ihr vorgesetzten Leckerbissen ißt, und da ihm die gute Alte um keinen Preis an irgendeinem Tage, geschweige denn an einem solchen, auch nur den geringsten Verdruß bereiten möchte, gefährdet sie ihren Verdauungsapparat auf das bedenklichste. Wie der junge Woolwich imstande ist, die Trommelschlegel auf seinem Teller zu bewältigen, ohne doch von einem Strauß abzustammen, vermag seine besorgte Mutter absolut nicht zu begreifen.
    Nach Beendigung des Mahles hat die Alte noch eine weitere Prüfung zu bestehen, denn sie muß in Paradestellung sitzen bleiben, während das Zimmer aufgeräumt, der Herd gekehrt und das Tischgeschirr im Hof gewaschen und poliert wird. Die große Freude und Energie, mit der die beiden jungen Damen diese Pflichten verrichten und nach dem Beispiel der Mutter das Kleid aufschürzen und auf kleinen Schafotten von Holzschuhen herein und hinaus Rollschuh laufen, erwecken die glänzendsten Hoffnungen für die Zukunft, aber eine gewisse Bangigkeit für die Gegenwart. Dieselben Ursachen führen zu einem Stimmengewirr, einem Geklapper von irdenem Geschirr, Rasseln von Zinnkrügen, einem Schwingen von Besen und einer Verschwendung von Wasser in denkbar größtem Maße, wobei der durchnäßte Zustand der jungen Damen selbst ein so rührendes Schauspiel darbietet, daß es Mrs. Bagnet kaum mehr mit der ihrer Stellung angemeßnen Ruhe mit ansehen kann. Endlich sind die verschiednen Reinigungsprozesse siegreich erledigt worden. Quebec und Malta erscheinen lächelnd und trocken in frischen Kleidern, Pfeifen, Tabak und etwas zu trinken kommen auf den Tisch, und auf die Alte senkt sich das erste Morgenrot des Friedens an dem Tage dieses genußreichen Festes nieder.
    Als Mr. Bagnet seinen gewohnten Platz einnimmt, stehen die Zeiger der Uhr nahe auf halb fünf, und wie sie genau darauf stehen, ruft er:
    »George! Militärische Pünktlichkeit.«
    Es ist George, und er überbringt die herzlichsten Glückwünsche für die Alte, die er bei dieser feierlichen Gelegenheit küßt, und für die Kinder und für Mr. Bagnet. »Allen wünsche ich eine viel, vielmalige Wiederkehr dieses Tages.«
    »Aber George, alter Junge!« ruft Mrs. Bagnet und sieht den Kavalleristen neugierig an. »Was fehlt Ihnen denn ? Sie sind so blaß, George – verhältnismäßig –, und sehen so angegriffen aus. Nicht wahr, Lignum?«
    »George«, nickt Mr. Bagnet. »Sag's der Alten. Was fehlt dir?«
    »So, so, bin ich blaß«, sagt der Kavallerist und fährt sich mit der Hand über die Stirn. »Ich wußte nicht, daß ich angegriffen aussehe, und es tut mir leid. Aber die Sache ist die, daß der Junge, den sie zu mir gebracht haben, gestern nachmittag gestorben ist. Das hat mich ein bißchen hergenommen.«
    »Armer Teufel!« sagt Mrs. Bagnet mit mütterlichem Mitleid. »Ist's aus mit ihm? Gott, Gott!«
    »Ich wollte nichts davon erwähnen, denn es ist kein Geburtstagsgespräch. Aber Sie haben es aus mir herausbekommen, noch ehe ich mich niedergesetzt habe. Ich wäre in einem Augenblick schon wieder munter gewesen«, sagt der Kavallerist und zwingt sich zu einem heiteren Ton, »aber Sie haben zu scharfe Augen, Mrs. Bagnet.«
    »Da hast du

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