Bleakhouse
Gunsten getroffne Verfügung zurücknehme oder abändere oder eine Einschränkung hinsichtlich dessen treffe, was ich ihr vermacht habe. Mein Verhältnis zu ihr ist ungetrübt und so, wie es immer war, und ich widerrufe – wie Sie hören – nichts, was ich, um sie glücklich zu machen, verfügt habe.«
Die feierliche Umständlichkeit seiner Ausdrucksweise hätte zu jeder andern Zeit, wie so oft schon, lächerlich gewirkt, aber diesmal ist sie ergreifend und rührend. Die vornehme Würde, seine Treue, sein ritterliches Einstehen für sie, die Hochherzigkeit, mit der er ihretwegen die eigne erlittene Unbill und seinen Stolz vergißt, haben etwas erschütternd Schlichtes, Ehrenhaftes und Wahres. Solche Denkungsweise adelt den gewöhnlichsten Handwerker nicht weniger als den Vornehmsten und hebt beide gleich empor aus dem Staub der Erden zum strahlenden Licht.
Von der Anstrengung erschöpft, läßt Sir Leicester den Kopf auf die Kissen sinken und schließt die Augen, aber nur eine Minute, dann sieht er wieder hinaus in das Schneegestöber und horcht gespannt auf das leiseste Geräusch. Der Kavallerist hat sich bescheiden ein paar Schritte zurückgezogen, um nicht zu stören, und steht hinter seiner Mutter Stuhl Wache. Sir Leicester hat kein Wort darüber fallen lassen, wie unentbehrlich ihm die Dienste, die ihm George leistet, in der kurzen Zeit geworden sind, aber alle fühlen es.
Der Tag neigt sich seinem Ende zu. Der Nebel und das dichte Fallen des mit Regen untermischten Schnees machen die Stunde noch finsterer, und lebhafter glänzt der Feuerschein an den Wänden und den Möbeln. Die Dunkelheit nimmt zu; Gasflammen zucken hell auf in den Straßen, und die altmodischen hartnäckigen Öllampen vor dem Palais mit halbgefrornem und halbaufgetautem Lebensborn flimmern schnappend, wie feurige Fische auf trockenem Land. Die vornehme Welt, die über das Stroh gerollt kam und die Klingeln gezogen hat, um »anzufragen«, begibt sich nach Hause und kleidet sich um zum Diner, um wieder von neuem im Stil der letzten Mode die teure Freundin zu begeifern.
Sir Leicesters Befinden verschlimmert sich, er wird unruhig, aufgeregt und leidet große Schmerzen. Volumnia zündet eine Kerze an – es scheint in ihrer Bestimmung zu liegen, stets das Unpassendste zu tun –, aber er läßt ihr befehlen, sie wieder auszulöschen, da es noch nicht dunkel genug sei. Dennoch ist es fast finster; so finster, wie es die ganze Nacht sein wird. Mit der Zeit versucht sie es abermals. »Nein! Auslöschen!« Noch immer ist es ihm nicht dunkel genug.
Die alte Haushälterin erkennt zuerst, daß er sich in dem Wahne erhalten will, es sei noch nicht spät.
»Lieber Sir Leicester, mein lieber guter Herr«, flüstert sie halblaut. »Denken Sie doch an Ihren Zustand. Es ist meine Pflicht, Sie inständigst zu bitten, sich doch nicht hier mit Wachen und Warten in der einsamen Finsternis durch die langen Stunden hinzuschleppen und sich so aufzureiben. Erlauben Sie mir, die Vorhänge zuzumachen und die Lichter anzubrennen, damit es gemütlicher im Zimmer wird. Die Zeit läuft deshalb nicht anders, Sir Leicester, und die Nacht wird schnell vorübergehen. Mylady kommt deshalb nicht früher und nicht später.«
»Ich weiß es wohl, Mrs. Rouncewell, aber ich bin schwach, und er ist schon so lange, lange weg.«
»Nicht so sehr lange, Sir Leicester. Kaum vierundzwanzig Stunden.«
»Aber das ist lange. Schrecklich lang!«
– Er sagt das mit einem Stöhnen, daß es ihr das Herz zerreißt. –
Sie fühlt, daß der Zeitpunkt nicht geeignet: ist, das grelle Licht auf sein Gesicht fallen zu lassen; seine Tränen sind ihr zu heilig, als daß er wissen dürfte, daß selbst sie sie sieht. Daher bleibt sie eine Weile stumm im Dunkeln sitzen; dann macht sie sich still im Zimmer zu schaffen, schürt das Feuer und tritt an das dunkle Fenster, um hinauszusehen. Endlich hat er seine Fassung wiedergewonnen und sagt zu ihr: »Sie haben recht, Mrs. Rouncewell, es wird nicht dadurch schlimmer, daß man es sich eingesteht. Es wird spät, und sie sind noch nicht da. Zünden Sie das Licht an!«
Als es hell im Zimmer wird und die Vorhänge zugezogen sind und das Wetter hinausgesperrt haben, bleibt ihm nur noch das Horchen.
Mrs. Rouncewell weiß, es tut ihm in seiner niedergedrückten Stimmung und seinen Leiden wohl, wenn man ihn merken läßt, daß man in Myladys Gemächern nach dem Feuer sieht und sich vergewissert, ob alles zu ihrem Empfange bereit steht. So armselig
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