Bleakhouse
Soldat gewesen«, bemerkt Sir Leicester, »und haben sich gut geführt, höre ich.«
George macht seine militärische Verbeugung. »Was das anbetrifft, Sir Leicester, so habe ich meine Pflicht im Dienst getan, aber das war wohl das wenigste, was ich tun konnte.«
»Sie finden mich durchaus nicht wohl wieder, George Rouncewell«, sagt Sir Leicester, der den Blick nicht von dem Kavalleristen wenden kann.
»Es tut mir sehr, sehr leid, das zu hören, Sir Leicester.«
»Ich glaube Ihnen. Ich bin davon überzeugt. Und zu meiner alten Krankheit ist noch ein plötzlicher und schlimmer Anfall dazugekommen. Etwas, das lahmt –«, er versucht mit der einen Hand an der einen Seite hinabzufühlen, »und verwirrt...«, er berührt seine Lippen.
Mit einem Blick voller Teilnahme und Verständnis verbeugt sich George abermals.
Die alten Zeiten, wo beide junge Leute waren, und der Kavallerist noch ein Knabe, und einander in Chesney Wold sahen, steigen vor ihnen empor und machen sie beide weich gestimmt.
Sir Leicester versucht – offenbar mit einem Entschluß ringend, etwas, das ihm auf der Seele liegt, in irgendeine Form zu bringen und zu sagen, ehe er wieder in Schweigen versinkt –, sich in seinen Kissen ein wenig aufzurichten. George bemerkt es sogleich, nimmt ihn wieder in seine Arme und legt ihn so, wie er es wünscht. »Ich danke Ihnen, George, Sie sind mir wie ein zweites Ich. Wie oft haben Sie mir unten in Chesney Wold mein Reservegewehr getragen, George. Ihr Anblick berührt mich so anheimelnd und vertraut in diesen fremdartigen Verhältnissen; so sehr vertraut.«
Er bleibt eine Weile auf des Kavalleristen Arm gelehnt, und es scheint ihm wohl zu tun.
»Ich wollte hinzusetzen«, fährt er gleich darauf wieder fort, »ich wollte in bezug auf diesen Anfall hinzusetzen, daß er unglücklicherweise mit einem kleinen Mißverständnis, das ich mit Mylady hatte, zusammenfiel. Ich meine nicht, daß ein Zwist zwischen uns stattgefunden hätte, das ist keineswegs der Fall, sondern lediglich ein Mißverständnis hinsichtlich gewisser Umstände, die nur für uns von Wichtigkeit sind, das mich aber für einige Zeit der Gesellschaft Myladys beraubt. Sie hat es für notwenig gefunden, eine Reise zu machen... Ich bin überzeugt, daß sie in Bälde zurück sein wird. Volumnia, mache ich mich verständlich? Ich habe die Worte noch nicht recht in der Gewalt.«
Volumnia versteht ihn vollkommen, und er spricht in der Tat mit viel größerer Deutlichkeit, als man noch vor einer Minute für möglich gehalten hätte. Die Anstrengung, die es ihn kostet, kann man ihm leicht an seinen gespannten und erregten Zügen ansehen. Nur der Wille ist's, der ihn aufrecht erhält.
»Was ich sagen will, ist, Volumnia, daß ich hiermit in Ihrer Anwesenheit – und in der Anwesenheit meiner alten Dienerin und Freundin, Mrs. Rouncewell – und in der Anwesenheit ihres Sohnes George, der wie eine vertraute Erinnerung an meine Jugendzeit auf dem Wohnsitz meiner Ahnen in Chesney Wold zurückgekommen ist –, im Fall ich einen Rückfall erleiden –, im Fall ich nicht wieder genesen –, im Fall ich die Fähigkeit zu sprechen und zu schreiben ganz verlieren sollte, wenn ich auch auf Genesung hoffe...«
– Die alte Haushälterin weint still vor sich hin; Volumnia ist im höchsten Grade aufgeregt, und unvergängliches Rot blüht auf ihren Wangen; der Kavallerist steht mit übereinandergeschlagnen Armen, den Kopf ein wenig vorgeneigt, ehrerbietig und aufmerksam da. –
»Was ich ausdrücklich wünsche, ist, vor Ihnen allen als Zeugen feierlichst zu erklären, daß dasselbe unverändert gute Einvernehmen zwischen Lady Dedlock und mir weiterbesteht und niemals getrübt wurde. Daß ich mich in keiner Hinsicht über sie beschweren kann und auch nicht den geringsten Grund dazu hätte. Daß ich immer die stärkste Herzensneigung für sie gefühlt habe und noch fühle. Sagen Sie all das ihr selbst und jedermann, Volumnia. Und wenn Sie ein Wort davon weglassen, so machen Sie sich einer absichtlichen Falschheit gegen mich schuldig.«
Volumnia beteuert zitternd, daß sie seinen Befehlen bis aufs I-Tüpfelchen gehorsam sein wolle.
»Mylady steht zu hoch, ist zu schön, zu vollkommen in jeder Beziehung, zu sehr allen ihresgleichen überlegen, als daß sie nicht Feinde und Verleumder haben sollte. Sagen Sie diesen Leuten, wie ich es Ihnen hiermit sage, daß ich gegenwärtig bei klarem Verstande und ungeschwächtem Gedächtnisse auch nicht die kleinste zu ihren
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