Bleakhouse
so bescheiden und mild, und ihre zitternde Hand verriet große Aufregung, wie sie sich auf den stummen Tasten hin- und herbewegte. Meine gute, liebe Ada!
»Ich sehe ihn jeden Tag in seinem schlimmsten Zustande. Ich beobachte ihn im Schlaf. Ich kenne jeden Wechsel seines Mienenspiels. Als ich ihn heiratete, war ich fest entschlossen, Esther, mit Gottes Hilfe, ihm nie zu zeigen, daß ich mich seiner Handlungsweise wegen grämte, um ihn nicht noch unglücklicher zu machen. Wenn er nach Hause kommt, darf er keine Spur von Sorge auf meinem Gesicht lesen. Wenn er mich ansieht, soll er in mir finden, was er liebte. Deshalb habe ich ihn geheiratet, und das hält mich aufrecht.«
Ich fühlte, wie sie immer mehr zitterte. Ich wartete, was noch kommen würde, und glaubte jetzt zu wissen, was es sein werde.
»Und noch etwas andres erhält mich aufrecht, Esther.«
Sie hielt eine Minute inne. Sie hielt nur inne im Sprechen – ihre Hand bewegte sich immer noch ruhelos.
»Nur noch eine kleine Weile, dann wird mir Gott vielleicht eine große Hilfe schicken. Wenn dann Richard seinen Blick auf mich richtet, sieht er vielleicht etwas an meiner Brust liegen, das beredter zu ihm spricht als ich, das größere Macht hat, ihm den wahren Weg zu zeigen und ihn wieder zurückzugewinnen.«
Ihre Hand wurde jetzt ruhig. Sie zog mich an ihre Brust, und ich umschlang sie mit meinen Armen.
»Auch wenn es diesem kleinen Geschöpfe nicht gelingen sollte, Esther, so will ich immer noch warten. Ich werde lange, lange Jahre warten und mir dann denken, daß, wenn ich alt oder vielleicht tot bin, ein schönes Weib, seine Tochter, glücklich verheiratet sein wird, und stolz auf ihn und ein Segen für ihn. Oder daß ein wackerer, braver junger Mann, so schön, wie er einst war, hoffnungsreich und glücklicher, ihn stützt, wenn sie im Sonnenschein miteinander spazieren gehen, sein graues Haar ehrt und zu sich sagt: 'Ich danke Gott, daß das mein Vater ist! Zugrunde gerichtet durch eine unselige Erbschaft und wiederhergestellt durch mich!'«
– »O liebe Ada! Du gutes, treues Herz.« –
»Diese Hoffnungen halten mich aufrecht, meine liebe Esther, und ich weiß, daß sie auch fernerhin mich aufrecht erhalten werden, obwohl sogar sie manchmal von mir weichen und der Angst Platz machen, die mich erfaßt, wenn ich Richard ansehe.«
Ich versuchte, mein Herzenskind zu beruhigen, und fragte, wovor sie sich denn fürchte?
Schluchzend und weinend gab sie zur Antwort:
»Daß er nicht so lange lebt, um sein Kind zu sehen!«
61. Kapitel
Eine Entdeckung
Wie können die Tage, während deren ich jenen elenden Winkel besuchte, den mein Herzenskind verschönte, aus meinem Gedächtnis entschwinden! Ich sehe ihn jetzt nie mehr, und wünsche ihn auch nie mehr zu sehen; ich bin seit der Zeit, an die ich denke, nur ein einziges Mal dort gewesen, aber in meiner Erinnerung umschwebt ihn dennoch ein trauervoller Glanz, der nie von ihm weichen wird.
Natürlich verging kein Tag, wo ich nicht hinging. Anfangs fand ich zwei oder drei Mal Mr. Skimpole dort, der auf dem Piano herumklimperte und in seiner gewöhnlichen lebhaften Weise plauderte. Außer dem, daß ich sehr die Möglichkeit argwöhnte, daß er nicht hinkommen würde, ohne nicht jedes Mal Richard ärmer zu machen, schien mir auch seine sorglose Fröhlichkeit zu unverträglich mit dem zu sein, was in Adas innerstem Herzen vorging. Überdies bemerkte ich deutlich, daß Ada meine Empfindungen teilte. Nach vielem Nachdenken darüber entschloß ich mich daher, Mr. Skimpole einen Privatbesuch zu machen und zu versuchen, ihm mein Bedenken auf eine zarte Weise auseinanderzusetzen. Der Gedanke an mein Herzenskind machte mich so kühn.
Ich begab mich daher eines Morgens, begleitet von Charley, nach Somers-Town. Während ich mich dem Hause näherte, fühlte ich eine starke Neigung, umzukehren, denn es wurde mir immer klarer, welch verzweifelter Versuch es sei, einen Eindruck auf Mr. Skimpole zu machen, und wie wahrscheinlich es sei, daß ich ihm gegenüber den Kürzern ziehen würde. Ich dachte jedoch, daß ich, einmal hergekommen, die Sache auch zu Ende führen sollte. Ich klopfte daher mit zitternder Hand an Mr. Skimpoles Tür- buchstäblich mit den Fingerknöcheln, denn der Klopfer war abgebrochen –, bis mich nach langem Debattieren eine Irin einließ, die gerade dabei gewesen war, im Halbkellergeschoß den Deckel eines Wasserfasses mit dem Schüreisen zu Brennholz zu zerschlagen.
Mr. Skimpole lag in seinem
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