Bleakhouse
Zimmer auf dem Sofa, spielte Flöte und war anscheinend entzückt, mich zu sehen. Er fragte mich, wer mich in aller Form empfangen sollte? Wer mir als Zeremonienmeisterin am liebsten wäre? Welche von seinen Töchtern es sein sollte, die Komödien-, die Schönheits- oder die Gemütstochter? Oder ob alle drei auf ein Mal, wie ein Blumenstrauß?
Schon halb besiegt, gab ich zur Antwort, daß ich mit ihm allein zu sprechen wünschte, wenn er es erlaubte.
»Meine liebe Miß Summerson, mit dem größten Vergnügen! Natürlich«, sagte er, indem er seinen Stuhl neben den meinen schob und gewinnend lächelte. »Natürlich kann es sich nicht um Geschäfte handeln und muß daher ein Vergnügen betreffen.«
Ich sagte, ich käme allerdings nicht in Geschäften, aber trotzdem beträfe es keine angenehme Sache.
»Dann sprechen Sie lieber nicht davon«, riet er mir mit der offenherzigsten Heiterkeit. »Warum wollen Sie von etwas sprechen, das nicht angenehm ist? Ich tue das nie. Und Sie sind in jeder Hinsicht ein viel angenehmeres Wesen als ich. Sie sind vollkommen Sonnenschein, und ich bin es nur in unvollkommenem Maße, wie viel weniger dürfen Sie daher von einer unangenehmen Sache sprechen, wenn ich es nicht tue! Das wäre also abgemacht, und wir wollen von etwas anderm reden.«
Obgleich ich verlegen war, so faßte ich mir doch ein Herz, ihm anzudeuten, daß ich trotzdem die Sache nicht fallen lassen könnte.
»Mr. Skimpole«, begann ich und blickte ihn fest an, »ich habe Sie so oft sagen hören, daß Ihnen die Angelegenheiten des täglichen Lebens ganz fremd sind –«
»Sie meinen unsre drei Bankierfreunde, Pfund, Schilling, und wie heißt der jüngste Associe doch? Penny?« unterbrach mich Mr. Skimpole fröhlich. »Habe keinen Begriff von ihnen.«
»– daß Sie vielleicht deshalb meine Keckheit entschuldigen werden. Ich – ich glaube, Sie sollten sich allen Ernstes vor Augen halten, daß Richard ärmer ist, als er je war –«
»Mein Gott! Das bin ich doch auch, höre ich allgemein.«
»– und in sehr bedrängten Umständen.«
»Ganz genau mein Fall«, sagte Mr. Skimpole mit erfreuter Miene.
»Das bereitet natürlich Ada gegenwärtig viel geheimen Kummer, und da ich glaube, daß sie sich weniger Sorgen macht, wenn sie weniger durch Besuche in Anspruch genommen wird, und überdies Richard immer eine große Sorge auf der Seele liegt, so habe ich es für meine Pflicht gehalten, mir die Freiheit zu nehmen, Sie zu bitten – lieber – nicht...«
Es wurde mir schwer, meine Bitte auszusprechen; aber er nahm jetzt meine beiden Hände und kam mir mit strahlendem Gesicht und auf das lebhafteste zuvor.
»Nicht hingehen? Gewiß nicht, meine liebe Miß Summerson, ganz gewiß nicht. Warum sollte ich hingehen? Wenn ich irgendwohin gehe, tue ich es immer nur des Vergnügens wegen. Um mir Schmerz zu bereiten, gehe ich keinen Schritt, weil ich für Vergnügen geschaffen bin. Der Schmerz kommt schon zu mir, wenn er mich braucht. Nun habe ich letzter Zeit sehr wenig Vergnügen bei unserm guten Richard gefunden, und Ihr praktischer Scharfsinn sagt Ihnen, warum. Unsre jungen Freunde verlieren die jugendliche Poesie, die sie einst so anziehend machte, und fangen an zu denken: das ist ein Mann, der Pfunde braucht. Das stimmt allerdings bei mir; ich brauche immer Pfunde; nicht für mich, sondern weil beständig Gewerbsleute sie von mir verlangen. Weiters fangen unsre jungen Freunde an, berechnend zu denken: das ist ein Mann, der sich immer Geld ausgeborgt. Und das stimmt wieder. Ich borge mir immer Geld aus. So sinken unsre jungen Freunde zur Prosa herab, was sehr zu bedauern ist, und büßen ihre Fähigkeit, Vergnügen zu bereiten, ein. Weshalb sollte ich sie daher besuchen? Höchst überflüssig!«
Durch das strahlende Lächeln, mit dem er mich während dieser Rede ansah, glänzte jetzt ein Blick uneigennützigen Wohlwollens, der wahrhaft erstaunlich war.
»Außerdem«, fuhr er in seinem Tone leichtherziger Überzeugung fort, »wenn ich nirgends hingehe, um Schmerz zu suchen – was eine Verkehrung meines Lebenszweckes und etwas ganz Ungeheuerliches für mich wäre –, warum sollte ich es tun, um andern Schmerz zu bereiten? Und wenn ich fortführe, unsre jungen Freunde in ihrer gegenwärtigen schlechten Gemütsverfassung zu besuchen, so würde ich ihnen Schmerz verursachen. Mein bloßer Anblick müßte sie verstimmen. Sie könnten sagen, das ist der Mann, der sich Geld von uns ausborgte und es nicht bezahlen kann; was
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