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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Edelsitz in Lincolnshire ist lauter Leben. Bei Tage hört man Schüsse und Stimmen in den Wäldern, Reiter und Wagen beleben die Parkwege, Lakaien und Diener füllen das Dorf und das Wirtshaus. Des Nachts sehen die Fensterreihen, wenn man sie von fernen Waldlichtungen in dem langen Salon, wo Myladys Bild über dem großen Prachtkamin hängt, erblickt, aus wie eine Reihe Juwelen in schwarzer Fassung. Sonntags wird die kleine, kalte Kirche fast erwärmt von so viel hoher Gesellschaft, und der dumpfige Geruch des Dedlockstaubes geht ganz in zartem Parfüm unter.
    Der glänzende und vornehme Kreis umfaßt nicht wenig Aufwand an Erziehung, Verstand, Mut, Ehre, Schönheit und Tugend, aber dennoch leidet er an einem kleinen Mangel – trotz seiner unermeßlichen Vorzüge. Was kann das sein?
    Etwa Dandytum? Es ist kein König Georg IV. mehr da – wie schade –, um in der Dandymode den Ton anzugeben. Die steifgestärkten weißen Halsbinden, die Röcke mit kurzen Taillen, die falschen Waden, die Schnürleiber sind verschwunden. Es gibt keine Karikaturen solch weiblicher Exquisiten mehr, die in der Opernloge im Übermaß von Entzücken in Ohnmacht fallen und von andern zeremoniösen Geschöpfen vermittelst langhalsiger Riechfläschchen wieder zum Leben erweckt werden, kein Beau ist mehr da, der vier Männer braucht, die ihn in seine Buckskins schütteln, der zu allen Hinrichtungen geht, aber von Selbstvorwürfen gepeinigt wird, wenn er einmal eine ganze Erbse gegessen hat.
    Aber ist vielleicht doch Dandytum in dem glänzenden und vornehmen Kreise vorhanden? Dandytum von einer schädlicheren Art als das von der Oberfläche verschwundene und mit weniger harmlosen Dingen beschäftigt, als mit gestärkten weißen Halstüchern wundervolle Knoten zu schürzen und die eigne Verdauung einzuschränken, Dinge, die einen vernünftigen Menschen eigentlich nichts angehen.
    Jawohl, es ist nicht zu leugnen. Es sind in Chesney Wold in dieser Januarwoche einige Damen und Herren da von der neuesten Mode – in der Religion zum Beispiel –, eine Gesellschaft, die in geziert ergriffener Sehnsucht nach Gemütsbewegung im Verlauf einer kleinen oberflächlichen Plauderei ein für allemal festgestellt hat, daß es dem gemeinen Volk an Glauben überhaupt fehle.
    Es gibt auch Damen und Herren hier von einer andern Mode, die nicht so neu, aber sehr elegant ist, und die überein gekommen sind, einen glatten Firnis über die Welt zu streichen, damit die rauhe Wirklichkeit nicht so in die Augen steche. Für sie muß alles nett sein und unaufdringlich. Sie haben herausgefunden, wo es beständig fehlt. Sie dürfen über nichts weinen und über nichts lachen. Sie dürfen sich nicht durch Ideen stören lassen – sogar die schönen Künste müssen ihnen in Puder und rückwärtsschreitend wie der Lordkammerherr aufwarten –, müssen die Putzmacher- und Schneidermodelle früherer Jahrhunderte anziehen und ganz besonders Sorge tragen, daß sie sich nicht von dem lebendigen Geist der Zeit beeinflussen lassen.
    Da ist zum Beispiel Lord Boodle, der bei seiner Partei großen Ruf genießt, der erfaßt hat, was Staatsdienst heißt, und Sir Leicester Dedlock nach dem Diner ernsthaft versichert, er wisse wirklich nicht, wo die gegenwärtige Zeit hinaus wolle. Eine Debatte sei nicht mehr, was sie in früherer Zeit gewesen; das Unterhaus sei nicht mehr, was es früher gewesen. Selbst ein Kabinett sei jetzt ganz anders als früher. Er nehme mit Erstaunen wahr, daß, im Fall das gegenwärtige Ministerium gestürzt werden sollte, die Krone bei der Bildung eines neuen Kabinetts in ihrer Wahl auf Lord Coodle und Sir Thomas Doodle beschränkt sei – vorausgesetzt, daß der Herzog von Foodle nicht in einem Kabinett mit Goodle sitzen könne, was man nach dem Bruch infolge der Affäre Hoodle annehmen müsse. Wenn man nun das Ministerium des Innern und die Führung des Oberhauses Joodle überlasse, die Schatzkammer Koodle, die Kolonien Loodle und das Auswärtige Amt Moodle, was bleibe dann für Noodle? Den Vorsitz im Ministerrat könne man ihm nicht anbieten, der sei für Poodle reserviert. Die Domänen und Liegenschaften könne man ihm nicht anvertrauen, die langten kaum für Quoodle. Was folge daraus? Daß das Vaterland zugrunde geht. Und das leuchtet dem Patriotismus Sir Leicester Dedlocks ein, weil man keine Stelle für Doodle hat.
    In andrer Hinsicht beweist Hochwohlgeboren William Buffy, Parlamentsmitglied, einem ihm gegenüber Sitzenden, daß der Untergang des

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