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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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er.
    »Größer und am größten, mein Lieber«, verweist ihn die Haushälterin mit Würde, »sind Worte, die ich mir auf Mylady anzuwenden nicht erlauben darf, nicht einmal angewendet hören will.«
    »Ich bitte um Entschuldigung, Großmutter. Aber sie ist doch stolz, nicht wahr?«
    »Wenn sie stolz ist, so hat sie allen Grund dazu. Die Familie Dedlock hat stets Grund dazu.«
    »Nun, so hoffe ich«, sagt Watt, »daß sie aus ihrem Gebetbuch eine gewisse Stelle, die wohl nur die gewöhnlichen Leute angeht, über Stolz und Hoffart ausstreicht. Entschuldige, Großmutter! Es war nur ein Spaß.«
    »Sir Leicester und Lady Dedlock, mein Lieber, sind keine passenden Zielscheiben für Spaße.«
    »An Sir Leicester ist jedenfalls nichts Spaßiges«, sagt Watt. »Er ist kein Springinsfeld, und ich bitte ihn demütig um Verzeihung. Ich hoffe, Großmutter, daß die Anwesenheit der Familie und ihrer Gäste für mich kein Hindernis bildet, noch ein paar Tage wie jeder andre Reisende im Gasthof zu bleiben.«
    »Natürlich, nicht im mindesten.«
    »Das freut mich, weil ich – weil ich ein unwiderstehliches Verlangen fühle, meine Bekanntschaft mit dieser schönen Nachbarschaft zu erweitern.«
    Er sieht dabei zufällig Rosa an, die deshalb die Augen senkt und wirklich sehr verlegen ist.
    Aber nach dem alten Aberglauben sollten Rosas Ohren brennen und nicht ihre frischen Wangen, denn Myladys Kammerzofe hält in diesem Augenblick mit erstaunlicher Energie eine lange Rede über sie.
    Myladys Kammerzofe ist eine Französin von zweiunddreißig Jahren aus den südlichen Provinzen zwischen Avignon und Marseille; ein großäugiges, braunes Frauenzimmer mit schwarzem Haar, die ganz hübsch wäre ohne einen gewissen katzenhaften Zug um die Lippen und eine gewisse unangenehme Gespanntheit des Gesichtes, die den Mund zu gierig erscheinen und die Stirn zu sehr hervortreten läßt. Ihr Körperbau hat etwas unbeschreiblich Scharfes und Hageres und sie selbst eine eigne Art, lauernd aus den Augenwinkeln zu schielen, ohne den Kopf zu drehen, die sie sich besser schenken könnte, besonders, wenn sie bei übler Laune und in der Nähe von Messern ist. Trotz des guten Geschmacks in ihrer Kleidung und sonstigen Toilette stechen diese Eigenschaften so hervor, daß sie wie eine zwar sehr saubere, aber doch nicht vollständig gezähmte Wölfin herumzugehen scheint.
    Sie ist in allen für ihre Stellung nötigen Kenntnissen wohl bewandert und spricht überdies die englische Sprache fast wie eine Engländerin, und es fehlt ihr daher nicht an Worten, um ihrem Zorn darüber, daß Rosa Myladys Aufmerksamkeit erregt hat, ausgiebig Luft machen zu können, und sie entströmen ihr während des Essens mit so ingrimmigem Hohn, daß der zärtliche Bediente, der ihr Gesellschaft leistet, sich geradezu erleichtert fühlt, als sie bei der Mehlspeise das Messer weglegt und wieder zum Löffel greift.
    Hahaha! Sie, Hortense, ist seit fünf Jahren in Myladys Diensten, und diese hat sie sich immer zehn Schritt vom Leibe gehalten; aber die Puppe wird geliebkost!... Jawohl, geliebkost!... Kaum, daß Mylady angekommen ist! Hahaha! »Und wissen Sie, wie hübsch Sie sind mein Kind?« – »Nein, Mylady!« – Da hat sie Recht! »Und wie alt sind Sie, mein Kind?« »Und nehmen Sie sich in acht, daß man Ihnen nicht mit Schmeicheleienden Kopf verdreht.« O wie drollig! Es ist wirklich überwältigend.
    Kurz, Mademoiselle Hortense kann es nicht verwinden, gibt sich tagelang bei Tisch selbst unter ihren Landsleuten und den Zofen, die mit der Schar von Gästen kommen, dem stillen Genuß dieses scherzhaften Themas hin – einem Genuß, der sich in der ihr eigentümlichen gemütvollen Weise durch eine noch größere Gespanntheit des Gesichts, noch schärfer zusammengepreßte Lippen und schielenden Blick ausdrückt. Ihre Vorliebe für solche Art Humor reflektiert sich häufig in Myladys Spiegeln, wenn Mylady nicht zugegen ist.
    Sämtliche Spiegel im Hause sind übrigens jetzt in Tätigkeit. Viele von ihnen nach langer Ruhe. Es sehen aus ihnen schöne Gesichter hervor, albern lächelnde Gesichter, junge Gesichter, Gesichter von siebzig Jahren, die durchaus nicht alt sein wollen, die ganze Gesellschaft von Gesichtern, die ein oder zwei Januarwochen in Chesney Wold zubringen wollen und denen die fashionable Zeitung, dieser gewaltige Nimrod vor dem Herrn, mit Adlerblick von dem Tage an, wo sie in St. James in Sicht kommen, bis zu dem, wo sie der Tod niederhetzt, auf den Fersen ist.
    Der

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