Bleakhouse
Guppys Augen folgten –, und war nur mit dem Gedanken beschäftigt, welche schrecklichen Ausgaben der junge Mann sich meinetwegen machte.
Manchmal dachte ich daran, es Mr. Jarndyce zu sagen. Dann fürchtete ich wieder, es könne den jungen Mann seine Stelle kosten. Und es Richard anzuvertrauen, hielt mich wieder der Gedanke an die Möglichkeit ab, er könne mit Mr. Guppy einen Streit anfangen und ihm ein blaues Auge schlagen. Soll ich, wenn er mich ansieht, die Stirn runzeln und mit dem Kopf schütteln? dachte ich mir. Nein, sah ich ein, das am allerwenigsten.
Ich überlegte mir, ob ich nicht an seine Mutter schreiben sollte, kam aber bald zur Überzeugung, daß ein Briefwechsel die Sache nur verschlimmern würde. Und immer wieder kam ich zu dem Schluß, daß ich rein gar nichts tun könnte.
Mr. Guppys Ausdauer ließ ihn nicht nur regelmäßig in jedem Theater, das wir besuchten, erscheinen, er zeigte sich auch im Gedränge, wenn wir hinausgingen, und zuweilen kam es vor, daß er sich hinten auf unsern Wagen stellte, wo ich ihn des öftern im Kampf mit den Wagenspeichen erblickte.
Waren wir zu Hause angekommen, pflegte er in solchen Fällen unsrer Wohnung gegenüber an einem Pfeiler Posten zu fassen. Da das Haus des Möbelhändlers das Eck zweier Straßen bildete und mein Schlafzimmer nach vorne ging, so fürchtete ich mich jedes Mal, ans Fenster zu treten, wenn ich oben war, um ihn nicht, wie es einmal in einer Mondnacht geschehen, an den Pfeiler gelehnt, klappernd vor Kälte stehen zu sehen.
Wenn er nicht zum Glück den ganzen Tag über beschäftigt gewesen wäre, ich glaube, ich hätte überhaupt keine Ruhe mehr vor ihm gehabt.
Während wir unsern Zerstreuungen nachgingen, an denen Mr. Guppy in so außerordentlich intensiver Weise teilnahm, wurde die Angelegenheit, derentwegen wir in die Stadt gekommen waren, nicht vernachlässigt.
Mr. Kenges Vetter war ein gewisser Mr. Bayham Badger, der eine große Praxis in Chelsea hatte und außerdem noch einer großen öffentlichen Anstalt vorstand. Er erklärte sich gern bereit, Richard in sein Haus aufzunehmen und dessen Studien zu beaufsichtigen. Und da diese, wie es schien, in seinem Haus erfolgreich betrieben werden konnten und er Gefallen an Richard fand und Richard sagte, auch er »passe ihm soweit«, so wurde ein Kontrakt gemacht, des Lordkanzlers Zustimmung eingeholt, und bald war alles in schönster Ordnung.
Am Tage der Kontraktunterzeichnung lud uns Mrs. Badger zum Essen ein. Es sollte nur ein Familienessen sein, wie ihres Gatten Brief besagte; und außer uns und der Hausfrau waren keine Damen zugegen.
Mrs. Badger erwartete uns im Salon, von verschiedenen Dingen umgeben, die verrieten, daß sie ein wenig male, ein wenig Klavier spiele, ein wenig Gitarre und ein wenig Harfe, ein wenig singe, ein wenig sticke und lese, ein wenig dichte und ein wenig botanisiere. Sie war, wie ich schätzte, ungefähr fünfzig Jahre alt, jugendlich gekleidet und hatte einen schönen Teint. Wenn ich zu dem kleinen Verzeichnis ihrer Kunstfertigkeiten noch hinzusetze, daß sie sich auch ein wenig schminkte, so will ich ihr damit nichts Böses nachgesagt haben.
Mr. Bayham Badger war ein roter, lebhaft gefärbter, geschniegelt aussehender Herr mit einer dünnen Stimme, weißen Zähnen, blondem Haar und verwundert dreinschauenden Augen. Er schien ein paar Jahre jünger zu sein als Mrs. Bayham Badger. Er bewunderte seine Gattin ausnehmend, aber merkwürdigerweise hauptsächlich deswegen, weil sie drei Männer gehabt hatte. Schon nach den ersten Begrüßungsworten sagte er triumphierend zu Mr. Jarndyce:
»Sie würden gewiß nicht glauben, daß ich Mrs. Bayham Badgers dritter bin.«
»In der Tat?«
»Ihr Dritter, jawohl. Mrs. Bayham Badger, glauben Sie nicht auch, Miß Summerson, sieht nicht wie eine Dame aus, die schon zwei Mal verheiratet war?«
»O, durchaus nicht.«
»Und zwar mit sehr bemerkenswerten Männern. Kapitän Swosser von der königlichen Marine, Mrs. Badgers erster Gatte, war ein hervorragender Offizier. Der Name Professor Dingos, meines unmittelbaren Vorgängers, genießt in ganz Europa einen großen Ruf.«
Mrs. Badger hörte lächelnd zu.
»Ja, meine Liebe«, bekräftigte Mr. Badger. »Ich bemerkte vorhin bereits zu Mr. Jarndyce und Miß Summerson, daß du schon zwei Mal verheiratet warst –, beide Male mit hervorragenden Männern. Und sie wollten es kaum glauben. Ja, ja, so geht es den meisten Leuten.«
»Ich war kaum zwanzig, als ich Kapitän Swosser von
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