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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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im Verdacht hat, daß er einen wichtigen, geheimen Gedanken verberge; ob jeder immer gerüstet ist, sich nie vom andern überrumpeln zu lassen, was jeder darum geben würde, um zu wissen, wieviel der andre weiß, – alles das liegt in ihrem tiefsten Herzen verborgen.

13. Kapitel
Esthers Erzählung
    Wir berieten viel, was Richard werden sollte; zuerst ohne Mr. Jarndyce, wie er gewünscht hatte, und dann mit ihm; aber es dauerte sehr lange, ehe wir nur einigermaßen vorwärts gekommen waren.
    Richard sagte, er sei zu allem bereit. Wenn Mr. Jarndyce fürchtete, er könne für den Flottendienst schon ein bißchen zu alt sein, sagte Richard, er habe sich das auch schon gedacht und es sei leicht möglich. Wenn Mr. Jarndyce ihn fragte, was er von der Armee halte, sagte Richard, er habe auch schon daran gedacht und es sei keine üble Idee. Wenn Mr. Jarndyce ihm den Rat gab, sich selbst einmal ernstlich die Frage vorzulegen, ob seine alte Vorliebe für die See nur eine gewöhnliche knabenhafte Neigung oder ein echter, innerer Impuls sei, so gab Richard zur Antwort, er habe sich die Frage schon oft vorgelegt, könne darüber aber nicht ins reine kommen.
    »Wieviel an dieser Unschlüssigkeit in seinem Charakter«, sagte Mr. Jarndyce zu mir, »die unglaubliche Häufung von Ungewißheit und Indielängeziehen, mit der er von seiner Geburt an zu tun hatte, die Schuld trägt, wage ich nicht zu sagen, aber daß der Kanzleiprozeß außer seinen übrigen Sünden auch für einen Teil dafür verantwortlich ist, sehe ich deutlich. Es hat in ihm eine Gewohnheit erzeugt oder genährt, alles hinauszuschieben und sich auf Zufälle aller Art zu verlassen oder alles halbfertig und verwirrt liegen zu lassen. Selbst der Charakter älterer und gesetzterer Personen kann durch Verhältnisse und Umgebung Veränderungen erleiden. Es hieße übers Ziel schießen, wenn man von einem Jüngling, dessen Charakter noch in der Ausbildung begriffen ist, das Gegenteil verlangen wollte.«
    Ich fühlte, wie richtig das war, obgleich es mir innerlich beklagenswert schien, daß Richards Erziehung diesen Einflüssen nicht entgegengewirkt und nicht mehr für die Ausbildung seines Charakters getan hatte. Er war acht Jahre in die Schule gegangen und konnte lateinische Verse aller Art auf die bewunderungswürdigste Weise machen. Aber niemals schien sich jemand die geringste Mühe gegeben zu haben, zu erfahren, zu welchem Beruf er am meisten hinneige, welcher Art seine Schwächen seien oder welche Wissenschaft am besten für ihn passe. Ich dachte mir, es würde Richard mehr genützt haben, wenn jemand ihn etwas fleißiger studiert hätte, anstatt ihn die Fähigkeit, Verse so außerordentlich gründlich zu drechseln, zu lehren.
    Allerdings verstand ich nichts von der Sache und weiß auch bis heute noch nicht, ob die jungen Herren des klassischen Rom oder Griechenland auch solche Massenverse gemacht haben – oder ob es die Lieblingsbeschäftigung der jungen Herrn irgend eines andern Landes jemals gewesen ist.
    »Ich habe nicht die leiseste Idee«, sagte Richard gelegentlich eines Gesprächs nachdenklich eines Tages, »was ich eigentlich werden möchte. Außer, daß ich ganz genau weiß, daß ich nicht Geistlicher werden will, ist es mir übrigens einerlei.«
    »Du hast wohl keine Neigung für Mr. Kenges Beruf?« fragte Mr. Jarndyce.
    »Das weiß ich nun eben nicht«, antwortete Richard. »Ich rudere sehr gern, und Jurisstudenten betreiben viel Wassersport. Es wäre vielleicht ein ganz kapitaler Beruf.«
    »Chirurg –?« schlug Mr. Jarndyce vor.
    »Ja, das ist das Wahre!« rief Richard begeistert aus.
    – Ich glaube kaum, daß er vorher ein einziges Mal daran gedacht hat. –
    »Das ist das Richtige. Jetzt haben wir's: M. R. C. S.«
    Er ließ sich durch unser Lachen nicht davon abbringen, obgleich er selbst herzlich mitlachen mußte.
    Er sagte, er habe jetzt seinen Beruf gewählt, und je mehr er darüber nachdenke, desto mehr fühle er, daß die Heilkunst sein wahrer Beruf sei.
    Ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, daß er nur deshalb zu diesem Entschluß gekommen war, weil er, innerlich froh, der unangenehmen Mühe des Nachdenkens enthoben zu sein, immer Geschmack an dem neuesten Einfall fand, und fragte mich, ob das Studium der lateinischen Verse häufig so ende oder ob Richard nur ein vereinzelter Fall sei.
    Mr. Jarndyce gab sich große Mühe, mit ihm die Sache ernst durchzusprechen und ihm die Wichtigkeit eines so entscheidenden Entschlusses vor Augen

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