Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch
hier«, ich hielt das Seroquel hoch, »ist gegen die Halluzinationen.«
»Du halluzinierst ?«
Ich war ganz kribbelig, weil ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. »Mein letzter Seelenklempner hat entschieden, ich sei manisch-depressiv. Er sagte, entweder ist es das, oder Schizophrenie, aber ich sei viel zu entzückend und rational, um schizophren zu sein. Seine Worte, nicht meine.«
Ich spülte die Pillen mit Wasser runter, das ich direkt aus dem Hahn im Badezimmer trank. Als ich zurückkam, sagte ich: »Ist das besser? Bist du zufrieden? Kann ich jetzt bleiben?«
» Nein! «
Das war’s dann mit dem Kribbeligsein. »Nein, es ist nicht besser, nein, du bist nicht zufrieden, oder nein, ich kann jetzt nicht bleiben?«
»Alles nein.«
Ich nahm Schwänin aus dem Regal und drückte sie an mich. Sie war kalt und schwer und aus Holz, aber jemand wie ich muss an Zuneigung alles nehmen, was sie kriegen kann.
»Warum willst du, dass ich gehe?«, fragte ich. »Ich bin in zwei Jahren achtzehn. Die ganze Erziehungsarbeit ist schon geleistet worden. Ich kann mich längst um mich selbst kümmern. Du musst nichts machen. Wo ist das Problem?«
Rosalee hatte ihre Arme hinter dem Rücken verschränkt, wohl damit ich nicht auf die Idee kam, sie auch noch an mich drücken zu wollen. »Du passt hier nicht rein.« Sie klang verzweifelt. »Ich sag es dir noch mal. Ein Mädchen wie du könnte sich hier niemals anpassen. Und warum solltest du das wollen? Du glaubst jetzt schon, verrückt zu sein? In dieser Stadt geschehen Dinge, die würden jeden ver … Was zum Teufel ist daran so lustig?«
Ich konnte sie kaum hören, weil ich so laut lachen musste. »Nur, damit ich das richtig verstehe: Du willst, dass ich gehe, weil du denkst, ich könnte mich hier nicht anpassen ?«
»Ich weiß , dass du es nicht kannst.«
Meinte sie das ernst? Meine Eltern hatten unterschiedliche Hautfarben, und ich hatte in zwei unterschiedlichen Kulturen gelebt. Ich war die reinste Werbeanzeige für Anpassungsfähigkeit. Und an was sollte ich mich denn anpassen? Flussfischen? Kuchenbacken von der Pike auf? Das Leben in einer Kleinstadt war ja wohl mit Sicherheit öde und langweilig, aber vielleicht war es genau das, was ich brauchte. Dallas hatte mir ganz sicher nicht gutgetan.
»Wir machen einen Deal«, sagte ich. »Lass mich einen Monat hier wohnen. Wenn ich mich gut eingewöhne, Freunde finde und das alles, dann darf ich bleiben. Aber wenn ich es nicht schaffe, dann gehe ich, und du hörst nie wieder was von mir.«
Rosalee schwieg lange. »Eine Woche.«
» Zwei Wochen.«
Wieder Schweigen. »Und dann gehst du zurück zu deiner Tante?«
Ich streichelte Schwänins langen, geraden Hals. »Das hab ich nicht gesagt.«
»Dann sag es jetzt, oder es gibt keinen Deal.«
Sie schien einfach nicht daran zu denken, dass mich Tante Ulla nicht mehr wollte – nie gewollt hatte, um genau zu sein –, aber wenn Rosalee unbedingt wollte, dass ich log, bitte schön. »Okay, wenn ich es nicht schaffe, gehe ich zurück zu Tante Ulla.«
Rosalee seufzte, ein sich von der Klippe stürzender, komplett hoffnungsloser Seufzer. »Na dann, bitte schön. Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
Ich konnte es nicht glauben. Obwohl sie wusste, was es über mich zu wissen gab, ließ sie mich hier wohnen. »Yippie!« Ich tanzte mit Schwänin durch den Raum.
Rosalee sah mir dabei zu. Wieder sah sie so aus, als hätte sie nie zuvor etwas wie mich gesehen. Dann ging sie kopfschüttelnd zur Tür.
»Gute Nacht, Momma.« Der Name fühlte sich im selben Moment komisch an. In meinem Mund, in meinen Ohren.
Er musste sich auch für Rosalee komisch angehört haben. »Nenn mich nicht so«, sagte sie. »Ich kenne dich nicht mal.«
Ich hätte nie gedacht, dass schwarze Augen so kalt sein konnten, aber Rosalees konnten es. Ich hörte auf zu tanzen und presste Schwänin gegen meine Brust. »Wenn du das willst.«
»Ja.« Sie ging, und alles fühlte sich leer an. Der Raum, ich.
Sie hasst dich, sagte Poppa. Ich hab es dir gleich gesagt. Ich hab dir gesagt, sie ist gefühllos.
Ich stellte Schwänin zurück ins Regal und verbeugte mich vor ihr, um mich für den Tanz zu bedanken. »Sie hat eine Menge Gefühle. Sie kann sie nur nicht zeigen. Ich werde sie schon dazu bringen. Sie wird wollen, dass ich hierbleibe.«
Nach einer Woche?
» Zwei Wochen.« Ich knipste das Licht aus. »Das ist viel Zeit. Ich bin doch ganz nett, oder etwa nicht? Und sie ist meine Mutter. Ihre
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