Bleib bei mir, Gabriella
Förmlichkeit leid.
Sie musterte ihn kurz. „Na gut. Rafe. Es soll ein Besuch sein, kein Auftritt. Ich möchte Libby helfen und will, dass es eine Überraschung für sie und die anderen Kinder ist.“
„Das ist nicht klug, Miss McCord.“
„Gabby“, verbesserte sie sanft. So sanft, dass er ein paar Schritte auf sie zuging.
„Ich möchte erst erkannt werden, wenn wir dort sind“, erklärte sie. „Ich will keine Presse. Es ist ein privater Besuch.“ Sie kam näher, und ihr Duft wurde stärker. Ihr Haar war in Reichweite. Wenn er die Hand hob und ihr Gesicht berührte …
„Rafe, ich möchte einem einsamen elfjährigen Mädchen helfen, das keine Freunde zu haben scheint. Können Sie mir das ermöglichen? Bitte, Rafe.“
Flirtete sie etwa mit ihm? War ihr bewusst, welche Macht die goldbraunen Augen, der zarte Duft ihres Parfüms und die sinnliche Figur ihr über einen Mann verliehen? Setzte sie das alles ein, um ihn zu manipulieren? Oder bat sie ihn einfach nur um einen Gefallen?
Es würde schwierig sein, ihre Bitte zu erfüllen. Rafe überlegte, wie er mögliche Verfolger abschütteln konnte. „Wollen Sie so ins Geschäft fahren?“
„Nein. Ich muss vorher zurück ins Hotel, damit ich mich umziehen kann.“
„Das wird knapp.“
„Glauben Sie mir, wenn jemand sich schnell umziehen kann, dann ich.“
Jetzt wollte er sie wirklich berühren. Mehr noch, er wollte sie küssen.
Aber er war ihr Bodyguard. Er musste auf ihren Ruf Rücksicht nehmen, genau wie auf seinen. Vor allem musste er morgens noch in den Spiegel blicken können. Er trat einen Schritt zurück. „Ich kann es hinbekommen, aber Sie dürfen nicht lange bleiben.“
„Ich brauche nur fünfzehn oder zwanzig Minuten.“
Wenn es ihnen gelang, wieder zu verschwinden, bevor jemand erfuhr, dass sie im Camp war …
„Also gut. Zwanzig Minuten, mehr nicht. Dann schleife ich Sie von dort weg, ob Sie nun fertig sind oder nicht.“
„Abgemacht“, erwiderte sie mit einem Lächeln, das sein Schicksal besiegelte.
Das würde er noch bereuen. Er wusste es einfach.
Gabby wartete in einer dunklen Ecke in der Nähe des Hintereingangs. Rafe hatte sie davor gewarnt, das Hotel allein zu verlassen. Sein Blick und Tonfall hatten deutlich gemacht, dass sie ihm besser gehorchte, wenn er ihr jemals wieder einen Gefallen tun sollte.
Einen Gefallen von Rafe Balthazar? Wollte sie den überhaupt?
Dann erinnerte sie sich an den Moment, in dem sie einige Schritte auf ihn zugemacht hatte. Und er auf sie. In seinen Augen war etwas aufgeflackert. Verlangen? Hatte er sie berühren wollen? Vielleicht sogar küssen?
Wenn sie ehrlich war, und das war sie meistens, würde sie sich eingestehen, dass sie sich genau das gewünscht hatte. Wie albern war das denn? Wie verrückt? Der Mann war ihr Bodyguard. Und das hier war kein Film. Nein, es wäre keine gute Idee, sich mit ihm einzulassen.
Eine innere Stimme sagte Gabby, dass Rafe nicht wie Miko war. Doch auf die durfte sie nicht hören.
Sie zupfte das weiße Kopftuch zurecht und tastete nach der Sonnenbrille, die das halbe Gesicht bedeckte. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass vor dem Hintereingang Fotografen lauerten, würde niemand sie erkennen.
Plötzlich ging die Tür auf, und Rafe winkte ihr zu. „Kommen Sie. Hier entlang. Die Luft ist rein.“
„Wo steht Ihr Wagen?“, fragte sie, während sie versuchte, auf ihren Sandalen mit ihm mitzuhalten.
Er umfasste ihren Ellbogen, als fürchtete er, dass sie mit der Sonnenbrille nicht richtig sehen konnte. Ihr Körper reagierte sofort. Er hatte Schwielen an den Fingern. Von harter Arbeit? Schlagartig wurde ihr bewusst, wie sehr sie seine Berührung mochte … wie sicher sie sich fühlte, wenn er in ihrer Nähe war.
Vor einem kleinen grünen Hybridfahrzeug blieb er stehen.
„Der da? Haben Sie ihn gemietet?“
„Das ist meiner. Niemand rechnet damit, dass Sie in einem umweltfreundlichen Kleinwagen durch die Gegend fahren. Alle erwarten eine schwarze Luxuslimousine.“
„Das ist Ihrer? Wirklich? Wohnen Sie in Dallas?“
„Steigen Sie ein. Wir reden auf der Fahrt weiter.“
Er hatte recht. Hier draußen wären sie Reportern oder aufdringlichen Fans ausgeliefert. Trotzdem machte es Gabby traurig, dass sie nicht wie zwei normale Menschen miteinander reden konnten. So lebte sie nun schon sehr lange. Miko hatte sie nicht nur von ihrer Familie isoliert, sondern auch vom ganz gewöhnlichen Alltag. Sie wünschte, sie könnte allein umherfahren, ein Haus,
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