Bleib für immer!: Roman (German Edition)
ermuntert, den Ausbruch zu wagen.
»Ja, ja.« Ich reiße mich zusammen. »Und jetzt erhebt bitte die Gläser. Auf Valentina!«
»Auf Valentina!«, rufen alle und klatschen, während die Braut sich im Rampenlicht sonnt.
»Ach, sieh mal«, Georgia wirft einen Blick aus dem Fenster, »da kommt Grace.«
»Na, Gott sei Dank«, sagt Valentina. »Obwohl ihr hoffentlich klar ist, dass sie ihren Wagen nicht da mitten in der Einfahrt stehen lassen kann. Ich will keinen Audi auf den Hochzeitsfotos. Besonders keinen drei Jahre alten.«
Doch als sich Graces Schritte weniger als eine Minute später dem Salon nähern, können alle ziemlich deutlich erkennen, dass Hochzeitsfotos das Letzte sind, was sie momentan interessiert.
113
G RACE WIRKT UNGEFÄHR so bereit, in ihre Rolle als Brautjungfer zu schlüpfen, wie jemand, der gerade einen Stall ausgemistet hat. Das liegt nicht nur an der Jeans, dem Mangel an Make-up und ihrem generell etwas derangierten Zustand. Vielmehr an ihrem Gesichtsausdruck. Als stünde sie kurz davor zu explodieren.
»Du«, sagt sie und zeigt auf Charlotte. »Du und ich müssen uns unterhalten.«
»Grace!«, quiekt Valentina. »Wir haben keine Zeit, uns zu unterhalten. Du musst dir deine Haare auf Lockenwickler drehen lassen!«
»Tut mir leid, Valentina«, widerspricht Grace, »aber ich habe im Augenblick Wichtigeres zu tun, als mir die Haare machen zu lassen.«
»Was könnte denn, bitte schön, wichtiger sein als deine Frisur?«, fragt die Braut. »Die Trauung findet in weniger als vierzig Minuten statt.«
Grace wendet sich wieder an Charlotte.
»Sollen wir das hier drin erledigen oder draußen?«, schreit sie.
Valentina zieht ein entsetztes Gesicht.
»Hör mal, Grace«, sagt sie. »Ich weiß ja, wie schwierig Evie manchmal sein kann. Aber ehrlich, könntet ihr eure Differenzen nicht vorläufig zurückstellen? Zumindest bis die Leute von High Life! weg sind.«
Offenbar glaubt die arme Valentina, ich wäre es, die es sich mit Grace verscherzt hat.
»Also, Charlotte, was ist dir lieber?«, fragt Grace.
Charlottes Gesicht und Ausschnitt haben sich so rot gefärbt, als bräuchte man einen Feuerlöscher.
»Grace«, beginnt sie mit bebendem Mund. Aber mehr kommt nicht.
»Na gut«, übernimmt Valentina wieder das Kommando. »Es reicht. Was ist hier los?«
Graces Gesicht verzieht sich.
»Wie konntest du nur, Charlotte?«, sagt sie. »Wie konntest du, nachdem wir so viele Jahre befreundet waren? Nachdem du meine Kinder hast aufwachsen sehen? Nachdem du meine Brautjungfer warst?«
Jetzt blickt Charlotte still zu Boden, die Lippen immer noch zitternd.
»Seit ich dich kenne, machst du auf Miss Sonnenscheinchen. Aber jetzt sag allen, was du getan hast. Mach schon.«
Immer noch rührt Charlotte sich nicht und gibt keinen Ton von sich.
»Nein? Dann werde ich es tun«, erklärt Grace. »Charlotte hat versucht, mir den Mann auszuspannen.«
»Wie bitte?«, sagt Valentina. »Grace, hast du getrunken?«
»Frag sie nur. Frag sie, ob sie versucht hat, Patrick zu verführen – auf der Hochzeit deiner Mutter, Evie.«
Ich beiße mir auf die Lippe und starre zu Boden. Mir wird klar, dass Patrick ihr nicht erzählt hat, dass ich Bescheid weiß. Ich habe ungefähr 0,2 Sekunden Zeit, erleichtert zu sein, da blickt Grace mich durchdringend an.
»Du wusstest es!«, schreit sie mich an.
»Die Sache ist die, Grace …«, mache ich den schwachen Versuch, mich zu verteidigen.
»Du wusstest es, verflucht noch mal! Herrgott, ich fasse es nicht.«
» Ich nicht«, schaltet sich Valentina ein. »Warum erfahre ich solche Dinge immer als Letzte?«
Plötzlich hebt Charlotte, zitternd und rot, trotzig den Kopf.
»Also gut, Grace. Wie ich das konnte? Das will ich dir sagen.«
Der ganze Raum verstummt unvermittelt.
»Weil ich ihn liebe«, sagt Charlotte. Valentina sieht aus, als würde sie gleich ohnmächtig.
»Ich liebe ihn mehr, als du ihn vermutlich je geliebt hast«, fährt Charlotte fort. »Ich würde alles für ihn tun. Ich würde für ihn sterben. Kannst du das ehrlich von dir sagen?«
Grace gibt keine Antwort.
»Nein«, sagt Charlotte, »das dachte ich mir.«
Grace lässt sich auf einen Stuhl sinken, sie sieht auf einmal sehr müde aus.
»Falls das etwas bedeutet«, ergänzt Charlotte ernst. »Ich fühlte mich schuldig – deinet- und der Kinder wegen. Es war nicht so, als hätte ich überhaupt nicht an dich und die beiden gedacht.«
Mit bewegter Miene steht Grace wieder auf und geht auf Charlotte
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