Bleib für immer!: Roman (German Edition)
fürchte, er wird ziemlich unter dem Pantoffel stehen.«
»Kann schon sein«, sagt er.
Grace wirft mir einen fast entschuldigenden Blick zu, als wollte sie sagen: Ungefähr so anregend sind unsere Gespräche in diesen Tagen. Sofort wende ich den Kopf ab und studiere die Nährwertangaben auf der Rückseite einer Schachtel Cornflakes.
»Wie versteht sie sich denn mit seinen Eltern?«, fragt sie.
»Gut, glaube ich«, grunzt Patrick. »Weiß nicht genau.«
»Bernard ist wahrscheinlich begeistert von ihr«, fährt sie fort, »aber Jacqueline … ich könnte mir vorstellen, dass sie es lieber gehabt hätte, wenn Edmund eine etwas weniger extrovertierte Frau nach Hause gebracht hätte.«
»Mhm«, meine ich. »Madonna zum Beispiel.«
Ohne ein Wort legt Patrick den Lappen zurück in den Schrank und geht in den Flur. Ich höre die Klotüre zufallen. Gleichzeitig kommt Polly in ihrem hübschen blassrosa Kleidchen herein, unter dem man deutlich ihren »BH« erkennen kann – der eigentlich ein Bikinioberteil ist. Sie sieht aus wie eine eigenartige Kreuzung zwischen Shirley Temple und einem Strichmädchen.
»Polly«, sagt Grace müde, während Scarlett ihre Plastikbauklötze durch die Küche schleudert. »Was hatte ich dir gesagt?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Ich habe dir gesagt, dass du das Ding nicht tragen darfst.«
»Aber …«, versucht sie.
»Kein Aber«, sagt Grace streng.
»Genau«, ergänze ich und fange an, sie zu kitzeln, »sonst rufen wir die Supernanny.«
Widerstrebend windet Polly sich kichernd, obwohl sie eigentlich fest entschlossen ist, beleidigt zu sein.
»Ich sollte mal besser los«, verkündet Patrick, als er wieder im Türrahmen auftaucht.
»Daddy«, bettelt Polly, »kann ich meinen BH zur Hochzeit anziehen? Es ist kein echter, nur ein Spiel-BH. Und Oma hat ihn mir gekauft, weil sie ihn schön fand und weil ich damit spielen kann. Darf ich, Daddy?«
Sprachlos hören Grace und ich zu. Wenn Polly schon mit fünf so ist, wie um Himmels willen wird sie dann mit fünfzehn sein? Machiavelli?
»Wenn Oma ihn dir gekauft hat, dann spricht für mich nichts dagegen«, sagt Patrick und schnappt sich den Autoschlüssel.
»Patrick!«, protestiert Grace. »Nein, sie soll ihn nicht tragen! Ich hätte meine Mutter erwürgen können, als sie ihr das Ding gekauft hat.«
»Aber Daddy hat ja gesagt.« Pollys verzweifelter Miene nach könnte man meinen, sie habe gerade erfahren, dass sie den Rest ihres Lebens in einem Arbeitshaus bei Haferschleim und getrockneten Erbsen verbringen muss.
»Daddy hat das sicher nicht so gemeint«, sagt Grace. »Stimmt’s, Daddy?«
Patrick wirft ihr einen schnellen Blick zu.
»Ich dachte«, erwidert er entrüstet, »dass Mami und Daddy abgemacht hatten, einander nicht vor den Kindern zu widersprechen.«
»Richtig.« In Graces Stimme schwingt ebenso viel Entrüstung. »Aber Daddy ist offenbar nicht bewusst, dass er soeben genau das getan hat.«
»Das kann schon sein.« Sein Ton wird schärfer. »Aber Mami muss wohl einsehen, dass Daddy kein Hellseher ist und daher nicht wissen konnte, was genau sie vorhin gesagt hat.«
»Das tut Mami. Aber da Daddy jetzt Mamis Ansichten kennt, wäre sie ihm sehr dankbar, wenn er ihr in dieser Frage den Rücken decken würde.«
Seinem Gesichtsausdruck nach liegt ihm ein weiterer ätzender Kommentar auf den Lippen, als plötzlich sein Handy klingelt. Er nimmt ab.
»Also«, zwitschert Polly. »Jetzt, wo Mami und Daddy das besprochen haben, darf ich doch meinen BH anziehen, oder?«
»Nein!«, brüllt Grace.
Sie und Polly tragen weiter ihre Schlacht aus, während Bob der Baumeister trällert und Scarlett nach ihrem nächsten Löffel Linsen heult und gleichzeitig mit ihren Bauklötzen auf das Tischchen ihres Hochstuhls hämmert. Doch obwohl in dieser Küche so viel los ist, dass man kaum weiß, wo man hinsehen soll, kann ich den Blick nicht von einer Person abwenden. Patrick. Patrick ist der Einzige hier, der still ist. Er lauscht dem Sprecher am anderen Ende der Leitung, ohne ein Wort zu sagen, sein Gesicht wird immer weißer, bis er allmählich aussieht wie Christopher Lee.
Schließlich nimmt er das Handy vom Ohr.
»Wer war denn das?«, fragt Grace.
»Evie«, sagt er, »ich glaube, du solltest besser gehen. Ich muss etwas mit Grace besprechen. Allein.«
111
Knowsley Hall, Samstag, 14. Juli
V ALENTINA IST von Kopf bis Fuß in die teuerste Hochzeitskreation gekleidet, die man für Geld bekommen kann. Dazu trägt sie ein
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